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Eine differenzierte Darstellung realisierbarer Wohneinheiten für die verschiedenen Flächenpotenziale, Grafik BBSR / IÖR

Bauszene

Baulandumfrage 2020 belegt Vorrang für Innenentwicklung

Eine repräsentative Stichprobe zu Bauland- und Innenentwicklungspotenzialen in Deutschland ergab vorhandenen oder leicht mobilisierbaren Baugrund für 900.000 bis 2 Mio. Wohnungen. Das würde den prognostizierten Bedarf decken. Deshalb kann und soll sich die kommunale Wohnungsbaupolitik auf Innenentwicklung konzentrieren.

April 6, 2022

Im Zwiespalt zwischen dem Ruf nach einer verstärkten Bereitstellung von Bauland einerseits und der Verminderung des Flächenverbrauchs als Ziel nachhaltiger Entwicklung andererseits braucht es belastbare Grundlagendaten. So betont die aktuelle „EU Soil Strategy for 2030“ (European Commission 2021) noch einmal ausdrücklich das bereits im „Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“ fixierte Ziel, „die Landnahme so zu reduzieren, dass bis 2050 netto kein Land mehr verbraucht wird“. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie wie auch der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung konkretisiert dieses Anliegen mit dem Ziel, die tägliche Flächenneuinanspruchnahme bis zum Jahr 2030 auf unter 30 ha/Tag zu begrenzen. Zum anderen zielt die Bundesregierung darauf ab, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. Gelingt dies nicht, drohen die Preise und Mieten weiter zu steigen und bezahlbarer Wohnraum so knapp zu werden, dass sich nicht mehr alle Haushalte mit ausreichend Wohnfläche versorgen können. Gleichzeitig wird eine regelmäßige, bundesweit vergleichbare Erhebung von Kerninhalten für ein Flächenmanagement und Baulandmonitoring in Deutschland nach wie vor nicht durchgeführt. 

Die Studie

Hauptziel der Baulandumfrage 2020 war dementsprechend eine bundesweite Erhebung der Bauland- und Innenentwicklungspotenziale. Das Projektteam erhob Flächenpotenziale und -reserven für Wohnen, Gewerbe und andere Nutzungen als Grundlage bundesweiter sowie regionalisierter und nach Raumtypen differenzierter Hochrechnungen. Auf dieser Grundlage erfolgte zudem eine Gegenüberstellung von Flächenpotenzialen und Wohnraumbedarfen einschließlich einer Abschätzung von auf den Flächen realisierbaren Wohnungsbaupotenzialen. Um Entwicklungen abbilden zu können, verglich das Projektteam darüber hinaus die aktuellen Ergebnisse mit jenen einer Umfrage aus 2012 zu den Innenentwicklungspotenzialen.

Neben der Quantifizierung von Bauland- und Innenentwicklungspotenzialen lag ein weiterer Schwerpunkt der Erhebung auf der Abbildung von Situation und Entwicklungstendenzen bei der Flächenerfassung und dem Flächenmanagement. Ein drittes wesentliches Anliegen der Studie war schließlich, Erkenntnisse zur Aktivierbarkeit von Bauland- und Innenentwicklungspotenzialen und Mobilisierungsaktivitäten zu erheben. Auftragnehmer des Forschungsprojekts war das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e. V. in Dresden in Kooperation mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V.

Ergebnisse der Studie

Bundesweit repräsentative Fragebogenerhebung: Der Rücklauf der Baulandumfrage 2020 beträgt insgesamt 1.084 Rohdatensätze. Daraus verwertbare Datensätze von 692 Städten und Gemeinden und repräsentiert damit knapp ein Viertel (23,1 %) der für die Baulandumfrage kontaktierten Gemeinden. Das sind insgesamt 6,4 % der Gemeinden in Deutschland.

Flächenpotenziale: Der flächenbezogene Untersuchungsrahmen der Umfrage umfasst die drei Hauptkategorien Innenentwicklungspotenziale, weitere baureife Baulandreserven mit gesicherter Erschließung sowie zusätzliche langfristige Baulandpotenziale (Rohbauland und Bauerwartungsland).

Innenentwicklungspotenziale: Aus den Angaben der Befragten lassen sich Innenentwicklungspotenziale (IEP) von bundesweit mindestens rund 84.000 ha hochrechnen. Bezogen auf Einwohnerinnen und Einwohner (EW) entspricht das insgesamt etwa 10 m²/EW, bezogen auf die Siedlungsfläche rund 4 % der Siedlungsfläche für Wohnen, Industrie und Gewerbe (WIG). Von den ermittelten circa 84.000 ha IEP entfallen knapp 40 % auf Brachflächen und gut 60 % auf Baulücken. Unter der Annahme, dass auf Grundlage vorliegender Daten gültigere Angaben gemacht wurden, lässt sich durch eine Korrekturschätzung ein oberer Schätzwert für IEP von rund 106.000 ha ermitteln. 

Weitere baureife Baulandreserven: Ergänzend zu den IEP erhob das Projektteam weitere baureife Baulandreserven mit gesicherter Erschließung. In aggregierter Hochrechnung von IEP und weiteren baureifen Baulandreserven ergibt sich ein Baulandpotenzial von insgesamt rund 99.000 ha als validierte Untergrenze. Der obere Schätzwert liegt insgesamt bei 132.000 ha. Rund 55 % dieses Gesamt-Baulandpotenzials schätzen die Städte und Gemeinden insgesamt als direkt nutzbar oder kurzfristig mobilisierbar ein. Bei den vorgesehenen Nutzungen steht Wohnen auf rund 65 % der Flächen an erster Stelle, gefolgt von Gewerbe auf knapp 25 % der Flächen. 

Summe kurzfristig mobilisierbarer Wohnbaufläche: Bei einer konservativ geschätzten Dichte von 25 Wohneinheiten (WE) pro Hektar und unter ausschließlicher Berücksichtigung des direkt nutzbaren oder kurzfristig mobilisierbaren Anteils des Gesamt-Baulandpotenzials von 99.000 ha lassen sich auf dem für Wohnen vorgesehenen Flächenanteil theoretisch zwischen knapp 900.000 und gut 2.000.000 WE realisieren. Dem steht auf Grundlage von Berechnungen des Wohnungsbedarfsmodells des IW Köln bis zum Jahr 2025 ein angenommener Wohnraumbedarf von rund 1,5 Millionen WE gegenüber. Zusätzlich kann das Wohnungsbaupotenzial je nach Annahmen – beispielsweise Bezug auf oberen Schätzwert, Berücksichtigung längerfristiger Potenziale, Annahme höherer Dichten – theoretisch auf mehr als 4.000.000 WE steigen. Dies würde jedoch einen erheblichen Wandel aktueller Planungsrealitäten und Nachfrage-Präferenzen erfordern. 

Zusätzliche langfristige Baulandpotenziale: Mit Blick auf die dritte erhobene Flächenkategorie zusätzlicher „langfristiger Baulandpotenziale“ summieren sich die Angaben der Befragten auf rund 34.000 ha B-Plan-Potenziale (Rohbauland; ohne gesicherte Erschließung) sowie etwa 100.000 ha FNP-Potenziale (Bauerwartungsland). Dabei sind für insgesamt knapp 70 % der B-Plan-Potenziale und knapp 40 % der FNP-Potenziale Prozesse eingeleitet, die Baurecht schaffen. 

Angebot und Bedarf: In der direkten Gegenüberstellung des ermittelten Gesamt-Baulandpotenzials mit regionalen Bedarfen zeigt sich ein schwach negativer Zusammenhang zwischen Bedarfen und Potenzialen. Diese Unterschiede sind allerdings nur graduell. Während in Kreisen mit sehr niedrigen Bedarfen etwa 45 % der befragten Städte und Gemeinden hohe oder sehr hohe Potenziale aufweisen, sind es in den Kreisen mit sehr hohen Bedarfen nur knapp 40 %. Soweit die Städte und Gemeinden Angaben zu den über das existierende Gesamt-Baulandpotenzial hinausgehenden zusätzlichen Flächenbedarfen gemacht haben, fällt dabei insbesondere der durchgängig höhere Flächenbedarf für Ein- und Zweifamilienhäuser auf. Rund 75 % des angegebenen zusätzlichen Flächenbedarfes für Wohnen entfällt auf diese Wohnform, nur 25 % auf den Geschosswohnungsbau.

Instrumente zur Flächenerfassung und Flächenmobilisierung

Flächenerfassung: Zumindest mit Blick auf die 2012 erhobenen Kategorien Brachflächen, Baulücken und Leerstände zeigen sich deutliche Fortschritte bei der Verbreitung von Maßnahmen der Flächenerfassung. So geben beispielsweise für die am häufigsten erfasste Kategorie der Baulücken heute insgesamt rund 50 % der Städte und Gemeinden eine flächendeckende Erfassung an. 2012 waren es nur etwa 30 %. 

Flächenentwicklung: Mit Blick auf Instrumente der Wohnbaulandentwicklung fragte das Projektteam die Bedeutung rechtlicher Instrumente und grundsätzlicher Strategien ab. Bei den rechtlichen Instrumenten messen die Befragten qualifizierten Bebauungsplänen die höchste Bedeutung zu. Auf den Plätzen zwei und drei folgen der Bebauungsplan der Innenentwicklung gemäß § 13a BauGB sowie das beschleunigte Verfahren für Außenbereichsflächen nach § 13b BauGB. Dabei wird Maßnahmen nach § 13b BauGB insbesondere von den Kleinstädten und Landgemeinden große oder relevante Bedeutung zugemessen, während solche Maßnahmen in den Großstädten eher nachrangige Bedeutung haben. Bei den allgemeineren Strategien der Wohnbaulandentwicklung schreiben die Befragten insbesondere der klassischen Angebotsplanung große Bedeutung zu. Zur grundsätzlichen bodenpolitischen Orientierung gaben die Befragten am häufigsten eine bedarfsorientierte Baulandentwicklung an. Damit zeigt sich eine gestiegene Bedeutung von Maßnahmen der Innenentwicklung. 

Flächenmobilisierung: Typische Instrumente zur Mobilisierung von Baulandpotenzialen sind öffentlich zugängliche Baulückenkataster, Immobilien- und Grundstücksbörsen, gezielte Förderprogramme zur Schließung von Baulücken oder strategische Aufkäufe von Flächen zur mittelfristigen Entwicklung und Deckung des Baulandbedarfs. Eine häufig thematisierte Voraussetzung und manchmal auch Hürde ist dabei allerdings die Kooperationsbereitschaft der Flächeneigentümerinnen und -eigentümer. Dementsprechend ist die gezielte Ansprache der Eigentümerinnen und Eigentümer laut Umfrage der bei weitem häufigste Ansatz.

Blick über die Grenzen: Mit Blick auf internationale Erfahrungen untersuchte das Projektteam Aktivitäten und Beispiele aus der Schweiz, Luxemburg, Österreich, Großbritannien, der Europäischen Union sowie den Vereinigten Staaten von Amerika. Danach steht in allen Regionen im strukturellen Wandel die Revitalisierung von Industriebrachen und Gewerbeflächen (brownfields) im Vordergrund. Aber auch die Nutzung von Baulücken und die Vermeidung von Leerständen sind wichtige Themen. Interessant ist dabei beispielsweise der „Call-for-Sites“-Ansatz in Großbritannien. Hier werden nicht nur Flächen-Eigentümerinnen und -Eigentümer, sondern explizit auch die breite Bürgerschaft angesprochen, Flächenpotenziale zu melden. 

Hemmnisse: Als wichtigstes Hemmnis einer systematischen Erfassung und Pflege von Flächendaten verdeutlichten sowohl die Fallstudien als auch die Umfrage personelle Kapazitätsgrenzen. So wird beispielsweise bei Bevölkerungsrückgang im Zweifelsfall auf eine aufwändige kleinteilige Flächenerfassung verzichtet und eher die Ansprache der Eigentümerinnen und Eigentümer zur Flächenmobilisierung intensiviert. Der Aufbau von qualifiziertem Personal ist damit die zentrale Herausforderung der Städte und Gemeinden bei der Etablierung eines erfolgreichen Flächenmanagements. 

Fazit und Ausblick

Mit mindestens 99.000 ha Gesamtflächenpotenzial lassen sich unter konservativen Annahmen auf dem für Wohnen vorgesehenen Flächenanteil theoretisch zwischen knapp 900.000 WE und gut 2.000.000 WE realisieren. Allein diese unmittelbar verfügbaren Potenziale entsprechen rund 60-133 % eines auf Grundlage des Wohnungsbedarfsmodells des IW Köln bis zum Jahr 2025 angenommenen Wohnraumbedarfes von etwa 1,5 Millionen WE. Dabei kann das Wohnungsbaupotenzial je nach Annahmen erheblich größere Dimensionen annehmen und theoretisch auf mehr als 4.000.000 WE steigen.

Vor dem Hintergrund dieser insgesamt existierenden, nicht unerheblichen Flächenpotenzial ist die weitere grundsätzliche Orientierung auf den Vorrang der Innenentwicklung notwendig. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Ziel, die tägliche Flächenneuinanspruchnahme bis 2030 zumindest auf unter 30 ha zu begrenzen. In vielen Städten und Gemeinden ist der Vorrang der Innentwicklung auch nach wie vor eine realistische Option. So lässt sich viel Wohnraum schaffen, dabei darf das Konzept einer „doppelten Innenentwicklung“ (Entsiegelung und Schaffung von Grünflächen) aber nicht aus dem Blick geraten. Gerade die Corona-Pandemie hat die Bedeutung von wohnortnahen Frei- und Erholungsflächen noch einmal sehr deutlich gemacht.

Unabhängig von der jeweiligen lokalen Situation ist eine umfassende Kenntnis der vorhandenen Flächenpotenziale eine wesentliche Grundbedingung eines zielgerichteten Flächenmanagements. Die Ergebnisse der Umfrage legen nahe, dass Städte und Gemeinden mit entsprechender Datenerfassung ihre Flächenpotenziale vollständiger im Blick haben. Um hier den bestehenden Kapazitätsproblemen insbesondere kleinerer Städte und Gemeinden abzuhelfen, erscheint die Unterstützung übergeordneter Initiativen und Angebote der Bauland- und Flächenerfassung sinnvoll. 
 

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