Eröffnung der Fachtagung. Bild: Christoph Wendland

Von und über natureplus

Verantwortung übernehmen, Lösungen aufzeigen und umsetzen!

Die 1. Fachtagung des Naturbau-Campus Oschatz an der HTWK Leipzig in Kooperation mit natureplus bringt Expertinnen und Experten zusammen und ermöglicht inspirierenden Austausch zwischen Forschung und Praxis.

October 16, 2024

Leipzig/Oschatz. „Die Baubranche ist der Beweis dafür, dass etwas passieren muss“, sagte Prof. Dr.-Ing. Faouzi Derbel, Prorektor für Forschung und Nachhaltigkeit an der HTWK Leipzig. „Die Baubranche muss sich mit dem Klimaschutz auseinandersetzen und Lösungen suchen, um das Bauen nachhaltiger zu machen.“ Nur wenn Forschung und Praxis gemeinsam agieren, kann es vorwärts gehen – davon ist der Prorektor überzeugt: „Wir müssen voneinander lernen und miteinander neue Wege beschreiten.“

Mit der 1. Fachtagung für Nachhaltig Bauen und Sanieren soll genau dieser Ansatz aufgegriffen und ein wiederkehrendes Format etabliert werden. Gemeinsam mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig lud der Naturbau-Campus Oschatz Expertinnen und Experten aus Planung, Forschung und der Praxis ein, um sich in Fachvorträgen, Spotlights zu regionalen Produkten, aber auch Diskussionen den aktuellen Herausforderungen zu stellen. Wie kann das aussehen? Was ist dafür notwendig? Wo fängt man an? Und welche Hürden müssen genommen werden?

Dass es notwendig ist, tätig zu werden, war jedem der Anwesenden klar. Prof. Dr.-Ing. Björn Höhlig, Professor für Nachhaltiges Bauen und Bauen im Bestand an der Fakultät Bauwesen der HTWK Leipzig, untermauerte die Realität mit Zahlen: So seien Bauschaffende verantwortlich für 70 Prozent des Flächenverbrauchs, 50 Prozent des Ressourcenverbrauchs und 40 Prozent der CO2-Emmision. Dem gegenüber stehen dabei nur 10 Prozent des Bruttoinlandproduktes und 7 Prozent der Arbeitsplätze. „Das heißt: Relativ wenige Menschen haben einen ziemlich großen Einfluss auf Ressourcenverbrauch und CO2-Emmision in unserem Land. Dieser Verantwortung müssen wir uns bewusst sein.“ Deutlich werde das an den Aufgaben, die sich der Baubranche stellen – „und zwar nicht erst in der Zukunft, sondern schon jetzt in der Gegenwart“, so Prof. Dr.-Ing. Björn Höhlig. Dazu gehört unter anderem die Klimawandelanpassung, die alternde Gesellschaft und nicht zuletzt die planetaren Grenzen. „Wir haben nicht mehr viel Zeit, um eine Bauwende zu schaffen“, mahnte der Professor.

Barbara Beetz von natureplus e.V., eine gemeinnützige und international agierende Umwelt- und Verbraucherorganisation, brachte einen weiteren Aspekt ins Spiel: „Das neue Bauen heißt, nicht mehr neu zu bauen.“ Stattdessen forderte sie den Gebäudebestand zu nutzen. Allein in Deutschland gebe es zwei Millionen Wohnhäuser in Altbestand. „Wir wollen dazu inspirieren, alte Häuser zu sanieren statt Neubauten zu schaffen. Und wir wollen Hürden abbauen und den Menschen die Angst davor nehmen“, sagte Barbara Beetz. Sie ist überzeugt: Eine UmBauwende ist zu schaffen, „wenn wir es gemeinsam anpacken.“

Bei der Tagung ging es vor allem um den fachlichen Austausch. Bild: Christoph Wendland

„Nachhaltiges Bauen muss auch wirtschaftlich sein.“ Darauf wies Dirk Niehaus von „bauraum MV“, dem Zentrum für energetische Sanierung, ökologisches Bauen, Energiesparen und Klimaschutz, hin. „Es nützt nichts, wenn sich das niemand leisten kann.“ Seine wichtigste Message an diesem Tag: Es gibt Alternativen. „Versucht es mit nachhaltigen Materialien wie Kork, Stroh, Hanf. Es funktioniert - und die Baukosten liegen dabei nicht viel höher als beim Einsatz konventioneller Materialien.“

Sein Appell reiht sich ein in eine Reihe von mutmachenden, inspirierenden und zukunftsfähigen Ansichten, die die Experten und Expertinnen in drei Vortragsblöcken den insgesamt etwa 200 Zuhörerinnen und Zuhörern darboten.

Ob mehrgeschossiger Holzbau, Normierung von industriell gefertigten Lehmbaustoffen oder lastabtragenden Strohballenbau – zur Fachtagung wurden nachhaltige Alternativen beleuchtet, analysiert und diskutiert. Nicht nur von den Referentinnen und Referenten im Hörsaal, sondern im Anschluss gemeinsam an fünf Thementischen zu Bauen mit Stroh, Bauen mit Lehm, Holzbau, Nachhaltig Planen und Bauen sowie Gebäudezertifizierung und Förderprogramme. Expertinnen und Experten standen Rede und Antwort, ungewöhnliche Denkansätze wurden aufgegriffen und gemeinsam weiterentwickelt.

Eine Fachausstellung mit Initiativen, Vereinen und Projekten sowie Herstellenden, die u.a. das breite Angebot an alternativen Baustoffen und deren Potenziale aufzeigten, rundeten die Fachtagung ab.

David Pfennig, Maurermeister, Geschäftsführer der Pfennig Gruppe sowie Vorsitzender des Bildungswerks für nachhaltige Entwicklung e.V., zu dem der Naturbau-Campus gehört, stellte die 1. Fachtagung gemeinsam mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur auf die Beine. Ein Mann aus der Praxis, der die Anwesenden mit auf die Baustelle nahm – zumindest fast. Auf dem Parkplatz des Hochschulgebäudes startete er eine Versuchsreihe, in denen er die Beweise lieferte für das, wofür er steht: dass nachhaltiges Bauen nicht teurer sein muss, manchmal sogar schneller geht, in jedem Fall aber unsere einzige Chance ist. Also demonstrierte er live das Brandverhalten von unterschiedlichen Dämmstoffen, ließ sein Team eine Wand mit Lehm maschinell verputzen und das Modell einer Dachschräge mit Zellulose-Dämmung einblasen.

„Es geht darum, etwas anzupacken, etwas gemeinsam zu schaffen. Aber es muss eben jetzt sein. Wir müssen jetzt loslegen“, betont David Pfennig, warum diese Fachtagung so wichtig war. Und es soll nicht die letzte dieser Art sein. Darüber waren sich David Pfennig, Prof. Dr.-Ing. Björn Höhlig aber auch die anwesenden Gäste einig – weil es eben nur gemeinsam geht.

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