Auch im Bestandsumbau werden die bauphysikalischen Eigenschaften von Kalksandstein wie Schall- und Brandschutz, Wärmespeicherfähigkeit und Tragfähigkeit zur Ertüchtigung oder Aufstockung von Gebäuden genutzt. Bild: arch.photo, Matthias Fuchs  / KS-Original

Podium

CO2 einlagern mit massiven Konstruktionen

Nicht nur Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen binden CO2 aus der Atmosphäre. Auch massive Mauersteine mit Kalkanteil schaffen das. Das Prinzip dahinter erklärt natureplus Mitglied KS-Original. Ein Gastbeitrag.

April 12, 2024

In der öffentlichen Wahrnehmung gelten Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen als besonders nachhaltig – vor allem, weil sie während ihres Wachstums Kohlendioxid binden und das eingelagerte CO2 so lange speichern, bis sie am Ende ihres Lebenszyklus thermisch verwertet werden. Massive Mauersteine mit Kalkanteil hingegen binden ab ihrer Herstellung CO2 aus der Atmosphäre. Und das dauerhaft. Basis ist hierbei ein natürlicher Prozess, der über Jahre abläuft. So tragen Kalksandsteine als CO2-Senke dazu bei, dass Gebäude während ihres Betriebs schädliches Treibhausgas einlagern und in ihrer Tragwerkskonstruktion verschließen.

Carbon Storage mit KS-Wänden

Die Grundlage eines nachhaltigen Baustoffes bilden Ressourcen, die zu seiner Herstellung genutzt werden. Kalksandstein zum Beispiel besteht ausschließlich aus Kalk, Sand und Wasser – natürlichen Bestandteilen, die regional gewonnen und in einem energiearmen Prozess zu einem hochfesten Baustoff verarbeitet werden.

Kalksandstein besteht ausschließlich aus den natürlichen Rohstoffen Kalk, Sand und Wasser. Bild: Kai Nielsen / KS-Original
Bei ca. 200°C werden die Rohlinge in Dampf-Härtekesseln, sogenannten Autoklaven, unter Wasserdampfdruck etwa sechs bis zwölf Stunden lang gehärtet. Die entstandenen Strukturen aus Kalk, Sand und Wasser sorgen für ein festes Gefüge des Kalksandstein. Bild: Kai Nielsen / KS-Original

Während seiner Lebensdauer, die weit über 100 Jahre beträgt, bindet er darüber hinaus auch noch Kohlenstoffdioxid. Diese Erkenntnis beruht auf zwei aktuellen Versuchsreihen der Universität Kassel unter der Leitung von Prof. Dr. Bernhard Middendorf, Leiter des Fachgebiets Werkstoffe des Bauwesens und Bauchemie.

Der Prozess des Carbon Storage, der auch Recarbonatisierung genannt wird, ist eine natürliche chemische Reaktion des kalkgebundenen Wandbildners. Die Fähigkeit, der Umgebungsluft CO2 zu entziehen, wird durch das Bindemittel Branntkalk bedingt, das aus natürlichem Kalk – genauer gesagt Calciumkarbonat – gewonnen wird. Während der ersten 50 Jahre seiner Lebenszeit kann das Mauerwerk auf diese Weise im Normalfall rund 50 kg pro Tonne Kalksandstein aufnehmen; danach nimmt die Speichermenge nur noch marginal zu. Anstriche und Putze verlangsamen zwar die Recarbonatisierung, verhindern sie aber nicht gänzlich – hierbei kommt es immer auf die Dampfdichtigkeit der Beschichtung an. Um die CO2-Aufnahme zu gewährleisten, empfehlen sich diffusionsoffene, natürliche Materialien, wie beispielsweise Lehm- oder mineralische Putze.

Kalk dient als Bindemittel zwischen den Sandkörnern. Das Mischungsverhältnis beträgt ungefähr 1:12 (Kalk zu Sand). Bild: Kai Nielsen / KS-Original

Gewichtstechnisch kann Kalksandstein je nach Rohdichte schnell 2.000 kg pro Kubikmeter betragen: Im Falle von großformatigen Elementen mit einer Breite eines Meters, einer Höhe von 498 mm und einer Dicke von 200 mm wird dies bereits mit gerade einmal zehn Elementen erreicht. Entsprechend groß fällt damit das Speicherpotenzial aus. Als interessanter Nebeneffekt zeigte sich in den Untersuchungen darüber hinaus, dass sich die Druckfestigkeit des weißen Wandbildners mit steigender CO2-Aufnahme weiter erhöht.

Ressourcenschonend planen und bauen

Kalksandstein leistet auf diese Weise einen wichtigen Beitrag zur CO2-Reduktion während der Nutzungsphase eines Gebäudes. Bezogen auf die aktuellen Herstellungsprozesse entspricht sie mindestens 40 Prozent des Kohlenstoffdioxids, das aktuell bei der Produktion entsteht. Unter Anrechnung des Carbon Storage-Effekts trägt eine Baukonstruktion aus Kalksandstein somit dazu bei, dass ein Gebäude CO2 aktiv wieder zurückgewinnt. Diese Bindung des klimaschädlichen Gases bleibt entsprechend der Versuchsreihen der Universität Kassel selbst beim Rückbau und dem anschließenden Recycling dauerhaft erhalten. Beim KS-Recyclingmaterials beschleunigte sich die Recarbonatisierung sogar, was auf die größere Oberfläche des Bruchmaterials zurückzuführen ist.

Auch darüber hinaus steht Kalksandstein für die ressourcenschonende Realisierung von Gebäuden im Neu- und Bestandsbau. Das liegt unter anderem am schlanken Wandaufbau, der mit dem weißen Stein möglich ist. Durch seine hohe Druckfestigkeit lassen sich tragende Wände bereits ab einer Dicke von 115 mm umsetzen. Bis zu vier Geschosse können mit einer Dicke von 150 mm realisiert werden, bis zu sieben Geschosse mit 175 mm. Die Tragfähigkeit ist so hoch, dass unter Berücksichtigung entsprechender Grundrisse der Lastabtrag optimiert wird. Das ermöglicht wiederrum Konstruktionen, die zur Materialeinsparung bei Bauteilen wie der Decke führen. Ohne aufwändige Sonderkonstruktionen erfüllt der materialhomogene Wandbildner durch seine natürliche Zusammensetzung dabei sämtliche Anforderungen an einen hohen baulichen Schallschutz und steht als nicht brennbares Material für einen hohen Brandschutz.

Auch mehr als sieben Geschosse können mit Kalksandstein schlank und ressourcenschonend errichtet werden, wie die Eberhardshöfe in Nürnberg zeigen. Bild: Erich Spahn / KS-Original
Beim größten und auf Nachhaltigkeit angelegten Neubauvorhaben Niedersachsens, dem Quartier Kronsrode in Hannover, kommt bei über 75 Prozent der Gebäude Kalksandstein zum Einsatz. Bild: Olaf Mahlstedt / KS-Original

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