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Dämmstoff in den Kreislauf schicken

Eine neue IFEU-Studie zeigt: Dämmstoffrecycling ist möglich, Dämmstoffe müssen sich aber ihren Materialkreislauf erst noch erschließen!

February 22, 2022

Die steigenden energetischen Standards im Gebäudebetrieb zum Erreichen der Klimaneutralität können nur mit einer verbesserten Dämmung der Gebäudehülle erreicht werden. Aber auch der Energie- und Materialeinsatz für die Herstellung der Dämmstoffe stehen auf dem Prüfstand. Im Rahmen einer neuen Studie des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung (IFEU) wurde deshalb untersucht, wie sich der ökologische Fußabdruck dieser Materialien durch ein verstärktes Recycling verbessern lässt. Wie relevant dies ist, zeigen die aktuellen Zahlen: Bis 2050 wird sich entsprechend der aktuellen Sanierungsrate das Dämmstoffaufkommen allein in Baden-Württemberg von ca. 40.000 t/a auf ca. 70.000 t/a erhöhen; sollen die Klimaschutzziele erreicht werden, ist dies mit einer Verfünffachung des Aufkommens bis 2050 verbunden. Die Studie "Der Gebäudebestand steht vor einer Sanierungswelle – Dämmstoffe müssen sich den Materialkreislauf erschließen", an der auch natureplus mitwirkte, wurde finanziert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (dbu) und dem Umweltministerium Baden-Württemberg.

Die gängigsten Dämmstoffe sind mineralischen oder synthetischen Ursprungs. In den letzten Jahren gewinnen aber auch Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen (NawaRo) weiter an Bedeutung. Im Rahmen dieser Studie erfolgte eine Analyse der Verwertungswege der Dämmstoffe Stein- und Glaswolle, Expandiertes Polystyrol (EPS), Extrudiertes Polystyrol (XPS), Polyurethan (PU) sowie Holzfaserdämmstoffe. Ziel war die Identifikation der organisatorischen, technischen und wirtschaftlichen Hemmnisse, die einer stofflichen Verwertung entgegenstehen. Diese Analysen erfolgten entlang der Akteurskette vom Rückbau der Dämmstoffabfälle bis zum Dämmstoffhersteller. Im engen Austausch mit den Akteuren wurden Lösungsansätze herausgearbeitet und bewertet und wichtige Schnittstellen zwischen den Akteuren identifiziert. Dabei gewonnene Erkenntnisse und Daten wurden zudem dazu genutzt, die ökologischen Auswirkungen der verschiedenen für die Dämmstofftypen zur Verfügung stehenden Entsorgungsoptionen neu zu bewerten. Um sich der Relevanz der Kreislaufführung von Dämmstoffen bewusst werden zu können, erfolgte zudem eine Prognose der zu erwartenden Dämmstoffmengen aus dem Rückbau bis 2050. Die Untersuchung war auf Baden-Württemberg ausgerichtet. 

Ergebnisse der Studie: Allein in BaWü könnten 31.000 t Treibhausgas eingespart werden

Bis dato werden Dämmstoffe entweder energetisch genutzt (über Müllverbrennungsanlagen oder als Ersatzbrennstoff) oder im Falle der Mineralwollen auf Deponien abgelagert. Aus ökologischer Sicht wäre eine stoffliche Verwertung insbesondere von synthetischen Dämmstoffen vorteilhaft; noch besser wäre eine Wiederverwendung. Deshalb sollten alte intakte Dämmstoffe nach Möglichkeit im und am Gebäude belassen und durch neue Dämmschichten ergänzt werden. Durch eine bis dato kaum praktizierte stoffliche Verwertung könnten allein in Baden-Württemberg bei derzeitigem Abfallaufkommen knapp 31.000 t CO2-Äq. pro Jahr gegenüber einer Beseitigung in MVAs bzw. auf Deponien eingespart werden. Aus technischer Sicht ist bereits heute ein Recycling und stoffliche Verwertung für die aktuell relevantesten Dämmstoffe Mineralwolle (Stein- und Glaswolle) sowie EPS möglich.

Für in Produktion und auf Baustellen anfallende Verschnittreste bestehen für die betrachteten Dämmstofftypen stoffliche Verwertungsverfahren, die aus technischer Sicht auch für rückgebaute Dämmstoffe möglich wären. Ein wesentliches Hemmnis ist dabei die Verunreinigung der Dämmstoffe, die vorrangig mit der Verbauweise der Dämmstoffe einhergeht. Dämmstoffe, die aktuell in Verbundsystemen (WDVS) verbaut sind, können nicht ohne Anhaftungen von Putz und Mörtel (Kleber) rückgebaut werden. Hier sind nachfolgend weitere gezielte Aufbereitungsschritte erforderlich. Ein sortenreiner und möglichst rückstandsfreier Rückbau der Dämmstoffe ist Aufgabe der Baustellenakteure. Auf Baustellen ist eine sortenreine Bereitstellung der Dämmstoffe mit Zusatzaufwand möglich, wenn auf Big Bags zurückgegriffen wird und eine gute Zusammenarbeit mit Containerdiensten etabliert ist. Containerdienste können sich auch über verschiedene Containergrößen und Fahrzeuggrößenklassen flexibel auf die verschiedenen Anforderungen an Baustellen ausrichten.

Alle Akteure müssen kooperieren

Werden Dämmstoffe ab Baustelle als gemischte Bauabfälle erfasst, gelangen diese in Vorbehandlungsanlagen. Diese sind nicht immer auf eine umfassende Sortierung ausgelegt. Selbst moderne technisch gut ausgerüstete Anlagen separieren Dämmstoffe derzeit nicht, da für diese Sortierfraktionen zur stofflichen Verwertung noch kein Absatzmarkt vorhanden ist. In der Branche werden Anlagen entwickelt und erforscht, um Dämmstoffsysteme, die nicht rückstandsfrei rückbaubar sind, bereits ab Baustelle ausreichend vorzubehandeln. Ob solche mobile Anlagen die erwünschten Reinheitsgrade erreichen, bleibt abzuwarten. Eine umfassende Aufbereitung von Dämmstoffen in Verbundsystemen und deren Nachsortierung kann wahrscheinlich nur bei Sortieren/Entsorgern in stationären Anlagen erfolgen.

Für die logistischen Herausforderungen etablieren sich erste Lösungen, indem Sammelstellen eingerichtet und Kooperationen zwischen Herstellern und Aufbereitern eingegangen werden. Eine Sammlung kann u.a. bei Sortierern / Entsorgern erfolgen. Aus Sicht der Hersteller besteht ein zentrales Hemmnis für eine hochwertige stoffliche Verwertung und Rückführung in die Produktion in fehlenden Regelungen zum Abfallende. Denn selbst wenn Dämmstoffabfälle in ausreichend guter Qualität vorliegen, dürfen diese nur dann zurück in die Produktion geführt werden, wenn die Anlage über eine entsprechende immissionsschutzrechtliche Genehmigung verfügt. Bereits bei der Rücknahme von Baustellenverschnitt herrscht vereinzelt Unsicherheit bei dieser Thematik.

Viele Handlungsmöglichkeiten

Der Erfolg der stofflichen Verwertung der Dämmstoffe ist abhängig vom Reinheitsgrad ab Baustelle. Selbst lose verbaute Dämmstoffe werden oftmals nicht ausreichend sauber getrennt. Hier sind Rückbauunternehmen sowie das Bauhandwerk gefordert, den gesetzlichen Pflichten gemäß GewAbfV zur Getrennthaltung nachzukommen. Eine diesbezüglich standardisierte Vergabepraxis würde deren Umsetzung unterstützen und sicherstellen, dass gesetzliche Standards im Wettbewerb nicht unterlaufen werden können. Zur Stützung der stofflichen Verwertung und Getrennthaltung ab Baustelle wäre eine Erweiterung der Abfallschlüssel nach Abfallverzeichnisverordnung hilfreich, um nach Dämmstofftypen unterscheiden zu können. Zielführend erscheint eine gezielte Ausrichtung der etablierten Entsorgungswirtschaft auf eine flächendeckende Aufbereitung von Dämmstoffen. Die Aufbereiter dienen damit auch als regionale Sammelstelle. Hierzu werden in der Branche und Forschung bereits erste Konzepte erarbeitet.

Marktkräfte aktivieren

Schon bei Konstruktion und Bau sollte darauf geachtet werden, Dämmstoffe so zu verbauen, dass sie später möglichst zerstörungs- und rückstandsfrei rückgewonnen werden können. Die Gewinnung von Sekundärrohstoffen ist häufig mit höheren Kosten verbunden als die Gewinnung von Primärrohstoffen. Lösungen zur Aufbereitung von Dämmstoffen und die Entwicklung neuer Produkte mit möglichst hohem Sekundärrohstoffanteil müssen unterstützt und gefördert werden. Parallel dazu sollte entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zur Abfallhierarchie die sonstige (energetische) Verwertung oder Beseitigung der Abfallmassen nur im Ausnahmefall oder bei sehr geringem Aufkommen ermöglicht werden. Sobald ein Absatzmarkt für Sekundärrohstoffe etabliert ist, erschließen sich für die Entsorger neue Absatzwege und regen diese zu neuen Investitionen an. Andersherum warten die Produkthersteller auf ein ausreichendes Angebot von hochwertigen Sekundärrohstoffen auf dem Markt, bevor in neue Techniken und Verarbeitungsverfahren investiert wird. Erste Kooperationen zwischen Herstellern und Entsorgern zeichnen sich ab. Diese gilt es zu unterstützen.

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