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Wohnen statt Büro - Die UmNutzung unserer Städte
24. April 2024, 13:00 - 13:45 Uhr
RE.THINK BUILDING 2024
Mit nachhaltigen Baustoffen Potenziale im Bestand heben
03. Mai 2024, in Bern
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Dr. Anna Braune und Dr. Christine Lemaitre bei der Eröffnung des DGNB Jahreskongresses 2022. Screenshot (Ausschnitt)

Mitglieder und Partner

DGNB Jahreskongress 2022

Interessante Debatten mit einem breiten Themenspektrum und faszinierende Vorträge auf dem zweitägigen Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen

March 14, 2022

Am 23. und 24. Februar veranstaltete die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ihren diesjährigen Jahreskongress als hybride Veranstaltung, an der an beiden Tagen jeweils weit über 500 Teilnehmer gezählt wurden. Insgesamt gab es rekordverdächtig rund 1000 Anmeldungen zu dieser Veranstaltung. Die diversen Vorträge, Gesprächsrunden und Themenräume machten die Ankündigung wahr: "Zwei Tage nachhaltiges Bauen pur – mit all seinen Facetten, Sichtweisen und Handlungsoptionen" wurden geboten und lieferten eine Bestandsaufnahme, wo wir mit dem nachhaltigen Bauen zu Beginn des Jahres 2022 stehen und welche Wege in eine klimapositive Zukunft des Bau- und Immobiliensektors führen.

Zum Auftakt skizzierten Dr. Anna Braune, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung der DGNB, und Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB, den aktuellen Stand des Nachhaltigen Bauens in Deutschland, vor allem unter den Aspekten von Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft. Das Wissen darüber sei in der Gesellschaft und auch bei den Bauakteuren noch nicht gefestigt, sodass Nachhaltigkeit häufig erst mal mit Mehrkosten assoziiert würde. Dennoch sei heute überall greifbar, dass es nicht mehr wie früher um das "Ob" und "Warum", sondern um das "Wie" geht, dass man nicht länger warten will auf die perfekte Patentlösung für alle Fälle, die es ohnehin nicht gibt, sondern dass man jetzt überall in die Realisierung einsteigt mit konkreten Projekten. Die Aufgabe der DGNB wandle sich dadurch hin zur Entwicklung von Leitbildern und zur aktiven Begleitung der Bauakteure, um ihnen zu helfen, sich auf die wirklich wichtigen Fragestellungen zu fokussieren. In diesem Zusammenhang kommen auch für die DGNB neue Fragen auf, etwa zu den Themen Biodiversität und Lieferketten, zu denen Antworten gefragt sind.

Um die Europäische Dimension des Nachhaltigen Bauens ging es beim Vortrag von Ruth Schagemann, Präsidentin des Architects' Council of Europe (ACE), die forderte, dass sich der technokratische Ansatz in der Energie- und Umweltpolitik in ein kulturelles Projekt wandeln müsse. VertreterInnen aus Dänemark, Spanien und Kroatien erläuterten den Stand des Nachhaltigen Bauens in ihren Ländern, wobei deutlich wurde, dass sich gerade in kleinen Ländern sehr schnell sehr viel bewegen lässt. Gibt es ein nachhaltiges Design? fragte Boris Kochan, Präsident des Deutschen Designtags, und hielt ein Plädoyer für Interdisziplinarität, Partizipation und Ganzheitlichkeit. Es gehe nicht nur um die Gestaltung von Dingen, sondern um Systeme und Prozesse, Methoden und Strukturen. Die derzeit noch geringe praktische Bedeutung von ESG-Kriterien (Environmental Social Governance – umweltbewusste und soziale Unternehmensführung) in der Immobilienwirtschaft wurde ebenso in einer Gesprächsrunde erörtert wie die Ideen zur Klimaanpassung (Resilienz) in der kommunalen Stadt- und Quartiersplanung.

Resilienz, Suffizienz, Biodiversität, Klimaneutralität...

Ein weiteres Thema des ersten Konferenztages war die Suffizienz, also die Frage nach dem gesellschaftlich vertretbaren Aufwand und einer neuen Kultur der Bescheidenheit, konkretisiert in zwei Vorträgen zum "Einfachen und klimaangepassten Bauen" und zur Frage "Bestandssanierung oder Neubau?". Der Berliner Architekturprofessor Eike Roswag-Klinge beschäftigte sich mit den planetaren Grenzen des Bauens. Seine Frage, was es wirklich braucht, um ein angemessenes Leben auf der Erde zu ermöglichen, verbindet sich mit einer Entstofflichung des Bauwesens und einer zukünftigen Kreislaufwirtschaft. Für ihn liegt die Antwort in einfachen, natürlichen Baumaterialien wie Holz und Lehm und in einer Reduktion der immer weiter überbordenden Haustechnik. Der DGNB-Präsident Prof. Amandus Samsøe Sattler setzte sich in seinem Impulsvortrag „Fertig ist nur der Anfang" kontrovers mit der Forderung, nicht mehr zu bauen, auseinander. Dabei appellierte er, sich mehr um vorhandene Gebäude zu bemühen und das Altern und Wiederverwenden von Material, auch unter ästhetischen Aspekten, zu akzeptieren.

Auch am zweiten Konferenztag standen Grundsatzfragen des Nachhaltigen Bauens auf dem umfangreichen Programm der DGNB. So hielt der ursprünglich Schweizer Prof. Dr. Thomas Schroepfer, Professor für Architektur und nachhaltiges Design an der Singapore University of Technology and Design, einen Vortrag zum Themenkomplex Biodiversität unter dem Motto "dense+green Cities". Anhand zahlreicher realisierter Projekte, vornehmlich in Asien, erläuterte er die Möglichkeiten der Integration von Grün in die Gebäudearchitektur zur Schaffung eines "urbanen Ökosystems". Auch Chris Kühn, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium und ehemaliger baupolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, versicherte, dass sein Haus dem Thema Biodiversität gerade auch in den Städten verstärkte Aufmerksamkeit widmen wolle. Es gehe um Renaturierung, Stadtumbau und Entsiegelungsprogramme, künftig müsse man nicht nur klimafreundlich, sondern auch naturgemäß bauen und den Lebensraum für Tiere und Pflanzen mitdenken. Es gelte, die Innenentwicklung voranzubringen und zu stärken, den Flächenverbrauch zu reduzieren. Nach der Klimakrise sei der Verlust von Biodiversität die zweite große Umweltkrise, 40% der Wirbeltierarten seien zwischen seiner Geburt und der Geburt seines Sohnes verschwunden, das könne nicht sein, meinte Kühn. Auch zur aktuellen Situation in der Förderlandschaft und zum Stellenwert des Nachhaltigen Bauens in der Ampelkoalition wurde Kühn befragt.

Ein weiteres Thema des zweiten Konferenztages war "die neue Commitment-Kultur in Sachen Klimaneutralität": Immer mehr Kommunen und Unternehmen kündigen pressewirksam an, bis zum Jahr XY klimaneutral zu sein. Aber wieviel Substanz steckt tatsächlich hinter diesen Commitments und "was ist Klimaneutralität überhaupt wert, wenn am Ende CO2 doch lediglich kompensiert wird?", fragte einleitend DGNB-Vorstand Dr. Christine Lemaitre. Hierzu sprachen Prof. Dr. Michael Braungart von der Leuphana-Universität Lüneburg, Geschäftsführer bei EPEA, und Hilmar v. Lojewski, Beigeordneter des Deutschen Städtetages. Dabei betonte v. Lojewski, dass solche Commitments auch messbar und an konkreten Vorhaben abgebildet sein müssen. Als Ermutigung war seine Botschaft an die Klimaaktiven zu sehen, sich an die Abkürzungen KIS - Keep it simple - und SIA - Say it again - zu erinnern. Braungart legte Wert darauf, dass es hier nicht um Commitment, also (papierne) Verpflichtung, sondern um Contributions, also konkrete Beiträge, gehe. Für ihn müssten die Planer und Verantwortlichen nun alle Prozesse neu auf den Prüfstand stellen: "rethink, reinvent, redesign" sei ihre Aufgabe.

Wie erkenne ich nachhaltige Produkte?

Wie Planende das richtige, sprich: nachhaltige Bauprodukt finden, war das Thema der abschließenden Gesprächsrunde. Johannes Kreißig, Geschäftsführender Vorstand der DGNB, leitete ein, dass die Materialwahl eine Kernaufgabe der ArchitektInnen sei, doch mache die Vielfalt der Nachhaltigkeitsaspekte die Wahl von geeigneten Bauprodukten mitunter kompliziert. Die DGNB versuche, die PlanerInnen zu unterstützen, doch welche Informationen sind hier wirklich gefragt? Antonino Vultaggio von HPP Architekten betonte, dass heute die traditionellen Themen der Materialwahl wie Ästhetik, Haptik, Qualität, Wirtschaftlichkeit von neuen Anforderungen an CO2-Neutralität, Ressourcenschonung, Gesundheitsverträglichkeit, sozialen Komponenten der Lieferkette überlagert werden. Das mache es wegen der herrschenden Intransparenz ein Stück weit unmöglich, die richtigen Materialien auszuwählen. Die Architektin Angie Müller-Puch vom Büro Behnisch in Weimar wünschte sich mehr Übersichtlichkeit; große Büros erarbeiteten sich ihre eigenen Plattformen, das könne nicht die Lösung sein, sie wünschte sich mehr Einheitlichkeit. Michael Scharpf,  Nachhaltigkeitsbeauftragter des Zementherstellers Holcim, fand Transparenz wichtig, Datenbanken müssten überprüfbare, verifizierbare Daten liefern. Die Industrie bringe die Bereitschaft mit, sich ernsthaft mit dem Klimaschutz zu befassen, das sei nicht zuletzt für Investoren ein großes Thema. Jetzt mache man sich intensiv Gedanken und habe einen "Pathway 2050" zur CO2-Neutralität definiert, man habe CO2-optimierte Produkte entwickelt und normgerecht angeboten. Bei Beton wäre aber durchaus noch mehr möglich, aber eben nicht im Rahmen der derzeitigen Normen, hier müsse noch mehr Entwicklung stattfinden. Der Cement Sustainable Council (CSC) – durch DGNB anerkannt - habe seit Januar ein CO2-Modul entwickelt, das sei ein erster Versuch, den CO2-Wert zu benchmarken, um den Planern eine qualitative Bewertung an die Hand zu geben.

Einen ganz anderen und inspirierenden Blick auf die Materialwahl brachte der abschließende Vortrag „Rethinking Urban Materiality: Time as a Resource" der indischen Architekturprofessorin Dr. Anupama Kundoo, die eine Professur für Tragwerksplanung an der Fachhochschule Potsdam und eine Gastprofessur am Karlsruher Institut für Technologie zum Thema „Sustainable Materials for a new Architectural Practice - Entering a circular economy“ innehat. Für ihr Engagement für klima- und kulturfreundliches Bauen wurde Anupama Kundoo 2021 im Rahmen der Weltklimakonferenz COP26 mit dem Building Sense Now Global Award geehrt. Mit ihren Büros in Pondicherry und Berlin hat sie bereits mehr als 100 Projekte realisiert, die meisten davon in Indien.  Ihr Ansatz für das Gebäudedesign basiert auf einer Materialforschung, die die Auswirkungen auf die Umwelt minimiert. Ihr grundlegender Designansatz ist die Verwendung von "waste materials, unskilled labour and local communities".  Aus dieser Einstellung formulierte sie Leitsätze wie "design so anyone can build", "build so everyone can grow" oder "trash is unimagined treasure".

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