Die Gebäudehülle nachhaltig sanieren
Das Kick-Off-Webinar der natureplus Europe Event Series 2024 beleuchtete nachhaltige Ansätze zur energetischen Sanierung – mit einem besonderen Fokus auf Innendämmung und Holzfenster.
Am 2. Dezember 2024 begann die European Event Series, organisiert von natureplus in Zusammenarbeit mit den Landesvertretungen ASBP, Stichting Agrodome, IBO und Baubioswiss, mit einem Webinar, das zugleich den Auftakt für die neuen natureplus Masterclasses bildete. Unter dem Titel „Retrofitting the Building Shell – Focus on Insulation and Windows with Natural Materials“ wurden die Vorteile nachhaltiger, biobasierter Materialien für die Innendämmung sowie die vielfältigen Möglichkeiten der Fenstersanierung beleuchtet. Kai Pless, Geschäftsführer von ProHolzfenster, stellte zu Beginn des Webinars die Arbeit des Bundesverbands vor und betonte die Bedeutung nachhaltiger Ansätze im Holzfensterbau, die zu kreislauffähigen und zukunftsfähigen Sanierungsprojekten beitragen können.
Dr. Arnaud Evrard zu nachhaltigen Innendämmungen
„Wir wissen alle, dass wir unsere Bestandsgebäude dämmen und damit die Energieeffizienz steigern müssen“, betonte Arnaud Evrard gleich zu Beginn. Dies ist ein entscheidender Schritt zur CO2-Reduktion im Gebäudesektor, zur Senkung des Energiebedarfs im Bestand und somit zur Erreichung unserer Klimaziele. Besonders wichtig ist dabei die Wahl der richtigen Materialien. Es sollten solche mit einem niedrigen CO2-Fußabdruck oder sogar positiven ökologischen Eigenschaften verwendet werden. Wenn eine Außendämmung aufgrund von Denkmalschutz, einer erhaltenswerten Fassade oder baulichen Herausforderungen wie der fehlenden Möglichkeit, ein Gerüst aufzustellen, nicht umsetzbar ist, bietet die Innendämmung eine Alternative. Diese Lösung bringt jedoch sowohl Chancen als auch bauphysikalische Herausforderungen mit sich, die sorgfältig in die Planung einfließen müssen. Eine innenliegende Dämmung hat immer zur Folge, dass die tragende Wandkonstruktion kälter wird, was Risiken wie Kondensation und damit verbundenen Schimmel nach sich ziehen kann. Auch die Wahl der richtigen Dampfbremse – sollte eine solche verwendet werden – ist entscheidend, wobei insbesondere der Sd-Wert berücksichtigt werden muss. Es existieren mittlerweile intelligente Dampfbremsen, die unterschiedliche Sd-Werte aufweisen und den Dampfdiffusionswiderstand je nach Jahreszeit anpassen. Ebenso müssen die Luftdichtheit und potenzielle Wärmebrücken bei der Planung einer innenliegenden Dämmung Beachtung finden, da sie maßgeblich zur Funktionalität und Langlebigkeit der Dämmmaßnahme beitragen.
Ein häufiges Problem bei der Planung von Innendämmungen ist, dass herkömmliche Software-Modelle, die auf der Glaser-Methode basieren, nicht ausreichend geeignet sind. Diese Modelle sind oft in ihrer Funktion beschränkt und liefern keine detaillierten Informationen über das Sorptionsverhalten und die thermischen Eigenschaften bestimmter Materialien unter spezifischen Bedingungen. Daher sind andere Softwarelösungen wie WUFI erforderlich, die Wärme- und Feuchtigkeitsübertragung sowie deren Speicherung unter der Berücksichtigung weiterer Parameter simulieren können. Dies ermöglicht es, die optimalen Materialien am richtigen Ort einzusetzen. Glücklicherweise stehen solche Modelle inzwischen zur Verfügung, und die notwendigen Materialparameter können gemessen und bewertet werden. Zudem gibt es mittlerweile eine breite Palette biobasierter und nachhaltiger Dämmstoffe, die durch ihre herausragenden bauphysikalischen Eigenschaften, wie ein hohes Sorptionsverhalten und kapillare Aktivität, besonders für Innendämmungen geeignet sind. In Kombination mit beispielsweise Lehmputz tragen sie zu einem optimalen Raumklima bei und fördern die Wohngesundheit. Beispiele solcher Materialien sind Holzfaser, Hanffaser, Flachsfaser, Hanfkalk, Leichtlehmschüttungen, Stroheinblasdämmung, Zelluloseeinblasdämmung und Schafwolle. Abschließend hob Arnaud Evrard hervor, wie wichtig es ist, das Bestandsgebäude genau zu kennen. Die Wasserdampfdurchlässigkeit, das Sorptionsverhalten der verwendeten Materialien und mögliche Probleme wie Salze im Mauerwerk müssen umfassend analysiert werden, um die beste Lösung für eine Innendämmung zu finden.
Judith Resch zu Holzfenstern im Bestandsumbau
„Fenster sind prägende Elemente eines Hauses, und es lohnt sich, den Mut aufzubringen, an ihnen zu arbeiten.“ Judith Resch verdeutlichte das Potenzial von Holzfenstern im Bestandsumbau anhand von verschiedenen Referenzprojekten. Diese umfassten Beispiele für die energetische Sanierung bestehender Holzfenster sowie ein Projekt, das die Nachhaltigkeit von Holzfenstern hervorhebt – sowohl im Hinblick auf das Material selbst als auch auf das Design. Ein weiteres Beispiel verdeutlichte, wie das Design von Holzfenstern eine einfachere technische Gestaltung eines Gebäudes ermöglicht. Holzfenster sollten dabei immer Teil eines ganzheitlichen Gestaltungskonzepts sein. Im ersten Referenzprojekt wurde ein denkmalgeschütztes Bauernhaus saniert, bei dem die bestehenden Holzfenster aus dem 19. Jahrhundert durch die Ergänzung einer zweiten Verglasung zu Kastenfenstern umgebaut wurden. So konnte die Wärme- als auch die Schalldämmung erheblich verbessert werden. Die historischen Holzfenster wurden sorgfältig aufbereitet – dazu gehörte das Entfernen der alten Farbschichten und das anschließende Beschichten mit Leinöl. Beschädigte Holzsprossen wurden erneuert, um die Fenster in ihrem ursprünglichen Charakter zu erhalten und gleichzeitig die Funktionalität zu optimieren. Dies verdeutlichte besonders die Vorteile von Holzfenstern, da sie sich aufgrund ihrer Beschaffenheit leicht anpassen lassen und das Material hervorragend geeignet ist, Veränderungen daran vorzunehmen.
Im zweiten Referenzprojekt wurden Holz-Verbundfenster aus den 1950er-Jahren energetisch saniert. Besonders im Bereich der Fensterlaibung konnten Kältebrücken festgestellt werden, weshalb dieser Bereich zusätzlich von innen gedämmt wurde. Zudem wurde die bestehende zweite Verglasung durch eine Vakuumverglasung ersetzt, um die Energieeffizienz weiter zu steigern. Bei der energetischen Sanierung der Gebäudehülle werden Fenster häufig komplett ersetzt, wobei die Wahl zumeist auf Kunststofffenster fällt. Judith verdeutlichte jedoch eindrücklich die erheblichen Vorteile von Holzfenstern. Holz lässt sich leicht von Hand bearbeiten und einfach instand halten. Seine bauphysikalischen Eigenschaften, wie etwa die Wärmedämmung oder Tragfähigkeit sind deutlich vorteilhafter als bei anderen Materialien. Auch in Bezug auf den Brandschutz zeigt sich Holz überlegen: Es brennt langsamer, setzt keine hochgiftigen Stoffe frei und schmilzt nicht. Zudem ist Holz kein Sondermüll. Zahlreiche historische Beispiele belegen die außergewöhnliche Langlebigkeit von Holzkonstruktionen.
Das letzte Beispiel zeigte ein Projekt von Deppisch Architekten, bei dem die Holz-Kastenfenstern ein integraler Bestandteil der Architektur wurden. Die Fenster sind durch den konstruktiven Wetterschutz der breiten Dachüberstände und Balkone effektiv vor Schlagregen geschützt. Die Fenster wurden so konzipiert, dass sie sowohl in einer Sommer- als auch einer Wintervariante genutzt werden können. Im Winter, wenn beide Fensterflügel geschlossen sind, wurden die Fensterdetails so geplant und ausgeführt, dass eine kontrollierte Menge frischer Luft durch den äußeren Flügel strömt. Zwischen den Verglasungen wird die Luft erwärmt und fließt ins Haus, was zusätzlich reguliert werden kann. Die Luftwechsel im Gebäude können dann durch ein zusätzliches mechanisches Luftsystem kontrolliert und reguliert werden, das in Zusammenarbeit mit dem Belüftungssystem der Fenster funktioniert. Durch ein intelligentes, ästhetisches und einfaches Design kommt dieses Gebäude mit weniger Gebäudetechnik aus. Es wurde deutlich gemacht, dass die Gestaltung von Holzfenstern viele Möglichkeiten für das Erscheinungsbild und die Funktion eines Gebäudes bietet. „Wenn wir gute Architektur schaffen und die Aspekte der Nachhaltigkeit ernst nehmen wollen, sollten wir also nicht vergessen, besondere Aufmerksamkeit auf das Design und die Konstruktion von Fenstern zu legen.“ – so Judith Resch zum Abschluss.
Politische und praktische Impulse für die UmBauwende
Kai Pless betonte die dringende Notwendigkeit, den regulatorischen Rahmen anzupassen, um energetische Sanierungen zu erleichtern und den Einsatz ganzheitlich nachhaltiger Baustoffe und Bauteile zu fördern. Damit die UmBauwende gelingt, müssen gezielt Kompetenzen und Ressourcen aufgebaut werden. Arnaud Evrard unterstrich die Dringlichkeit der CO2-Reduktion und lenkte den Fokus auf kohlenstoffarme und biobasierte Materialien. Insbesondere bei Bauteilen wie Fenstern und Türen, die in der Herstellung energieintensiv sind, sei die Wiederverwendung eine Schlüsselstrategie. Judith Resch wies als Architektin auf die Komplexität energetischer Sanierungen für Hausbesitzer*innen hin. Sie hob hervor, wie wichtig es ist, gemeinsam mit Eigentümer*innen effektive Prozesse zu entwickeln, die durch finanzielle Unterstützung und spezialisierte Beratung ergänzt werden. Ein kooperativer Ansatz, gepaart mit gezielter Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung, ist entscheidend für die Umsetzung nachhaltiger und effizienter Lösungen. Praxisnahe Beispiele und erfolgreiche Projekte dienen dabei als Inspiration für zukünftige Planungen.
Besonderen Dank möchten wir außerdem unserem Kooperationspartner, dem Bundesverband ProHolzfenster, sowie Berg & Berg und Isolena aussprechen.