Quelle: Deutsches Institut für Normung

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DIN für zirkuläres Bauen

Unter Federführung des natureplus-Partners Concular ist ein wichtiger Baustein für das zirkuläre Bauen entstanden. Ein Gespräch mit Dominik Campanella von Concular.

September 19, 2023

Der natureplus-Partner Concular arbeitet im Bereich der zirkulären Immobilien, indem er beispielsweise Bestandsgebäude vor dem Abbruch digitalisiert und Bauteile über die hauseigene Bauteilbörse verkauft. Nun hat Concular zusammen mit verschiedenen Akteur*innen der Baubranche die DIN SPEC 91484 entwickelt, die eine Standardisierung für sogenannte Pre-Demolishen-Audits enthält. Mit diesen Pre-Demolishen-Audits wird erfasst, welche Bauteile sich im Abbruchgebäude befinden, und wie gut sie sich zur Wiederverwendung eignen.

Dominik Campanella, Geschäftsführer von Concular, spricht in einem Onlinemeeting mit Jasmin Schoon über seine Perspektive auf die neue DIN.

Dominik Campanella, Geschäftsführer von Concular

Jasmin Schoon (natureplus): Warum ist diese DIN SPEC 91484 so wichtig für das nachhaltige Bauen?

Dominik Campanella (Concular): Bisher werden die Materialien aus Abrissgebäuden in den allermeisten Fällen downgecycelt, zum Beispiel werden sie für den Straßen- und Wegebau benutzt, oder sie werden thermisch verwertet, also verbrannt. Wir haben also keine echte Kreislaufwirtschaft in der Baubranche, sondern nur eine minderwertige Weiternutzung, weil wir uns gar nicht vor dem Abriss anschauen, welche Materialien hochwertig wiederverwendet werden können.  

Die DIN SPEC ist nun einer der wichtigsten Schritte, die wir bisher in Richtung zirkuläres Bauen gemacht haben, mit ihr schaffen wir eine Grundlage, um uns wirklich vor dem Abriss mit dem Bestand auseinander zu setzen und zu überlegen: Welche Materialien sind im Gebäude, und wie können wir sie hochwertig weiter nutzen?

Dieses Vorgehen ist auch für die sogenannte Abfalleigenschaft wichtig. Ich kann nämlich nicht einfach mein Gebäude abbrechen, die Materialien einlagern, und später wiederverwenden, weil diese Materialien rechtlich zu Abfall werden. Diese Abfalleigenschaft lässt sich nur sehr schwer wieder in eine Produkteigenschaft überführen, und deshalb werden die Materialien in den meisten Fällen anschließend downgecycelt. Wenn ich aber schon vor dem Abriss in einem Pre-Demolishen-Audit die Anschlussnutzung für die Materialien definiere, werden die Materialien rechtlich nicht zu Abfall, sondern behalten die Produkteigenschaft, und ich kann sie hochwertig wiederverwenden.

Bild: Concular


JS: Wie lief der Prozess ab, bis die DIN SPEC 91484 veröffentlich wurde?

DK: Wir haben nicht an einer "DIN-Norm", also einer Industrienorm gearbeitet, sondern an einer sogenannten "DIN SPEC". Es lief so ab, dass wir ca. vor einem Jahr an einem Wettbewerb teilgenommen haben, dem "DIN Connect". Wir haben dort die Idee zur DIN SPEC 91484 eingereicht, und konnten anschließend kostenfrei die DIN SPEC 91484 entwickeln.

Hierfür sind wir an unterschiedliche Akteur*innen heran getreten, unter anderem an herstellende Unternehmen, Rückbauunternehmen, Bauunternehmen, Unis, Institute und Verbände. Jede und jeder konnte kostenfrei an der DIN SPEC 91484 mitwirken, es war ein öffentlicher Porzess, der auch auf LinkedIn und bei der DIN veröffentlich wurde. Das Interesse war groß, letztendlich haben dreizig Unternehmen die DIN SPEC 91484 verabschiedet, und in den Prozess waren noch wesentlich mehr involviert.

Wir hatten über ein Jahr hinweg sechs Sitzungen und mehrere Untersitzungen. Das war nicht immer einfach, insbesondere für ein Startup, welches sich gerade erst auf dem Markt etabliert, bedeutet die Leitung dieses Prozesses einen großen Aufwand. Schlussendlich haben wir aber zusammen Formulierungen für die DIN SPEC 91484 verfasst, mit denen alle Beteiligten zufrieden waren, und konnten sie diesen Monat veröffentlichen.  

Bild: Concular

JS: Was bedeutet diese DIN für mich als Bauunternehmerin, wenn ich ein Gebäude abbrechen möchte?

DK: Die DIN SPEC 91484 gibt Dir einen Leitfaden für Pre-Demolishen-Audits zur Hand, diese können in zwei Schritten durchgeführt werden: Als Vor- und anschließend als Detailprüfung. Das praktische ist, dass die Vorprüfung einfach in das Schadstoffgutachten inkludiert werden kann, das Schadstoffgutachten muss bei jedem Abrissvorhaben sowieso erstellt werden, es entsteht also kein zusätzlicher Kostenaufwand.

Durch dieses Pre-Demolishen-Audit bekommst Du einen Überblick darüber, ob sich hochwertige Materialien in Deinem Gebäude befinden, die sich für die Wiederverwendung eignen. Idealerweise führst Du die Vorprüfung ca. ein Jahr vor dem Abbruch durch, und im zweiten Schritt prüfst Du in der Detailprüfung, wie gut sich diese Materialien aus dem Abbruchgebäude lösen lassen. Du kannst anschließend spezialisierte Unternehmen, wie zum Beispiel Concular, damit beauftragen, direkt Käufer*innen für die Materialien zu finden. Das bedeutet dann für Dich, dass Du für diese Materialien keine Entsorgungskosten zahlen musst, sondern Geld aus dem Verkauf bekommst.

Unserer Erfahrung nach funktioniert das sehr gut, und der Rückbauprozess verlängert sich nicht. Du kannst die Materialien entweder auf der Baustelle zwischenlagern, wenn Du den Platz hast, oder sogenannte "Urban Mining Hubs" nutzen, die wir gerade in vielen großen Städten aufbauen. So kannst Deine Materialien hochwertig in den Kreislauf zurückführen.

Bild: Conuclar


JS: Was ist nun der wichtigste nächste Schritt auf dem Weg zum zirkulären Bauen?

DK: Als nächstes ist es wichtig, dass die DIN SPEC 91484 bei allen Rück- und Umbauvorhaben angewendet wird, dafür muss sie flächendeckend verpflichtend werden. Idealerweise wird diese Verpflichtung in der Musterbauordnung verankert, sodass die Verpflichtung in die einzelnen Landesbauordnungen überführt wird.

Spannenderweise müssen wir nach EU-Vorgabe die Pre-Demolishen-Audits sowieso verpflichtend machen, und mit der DIN SPEC 91484 haben wir die Grundlage dafür geschaffen. Und ein Blick nach Europa zeigt uns auch, dass gar nicht innovativ sind: In Frankreich muss vor jedem Abriss aufgenommen werden, welche Materialien das Gebäude enthält.

Um auch an diesen Punkt zu kommen, versuchen wir mit unseren Partnern zusammen, das Wissen um die DIN SPEC 91484 möglichst weit zu verbreiten, und mit möglichst vielen politischen Entscheidungsträger*innen zu sprechen. Das ist gar nicht so einfach: Diese Themen werden aktuell auf Länderebene entschieden, und sogar Städte und Kommunen entwickeln ihre eigenen Bauvorschriften. Für uns als Startup ist es kaum machbar, mit allen 16 Bundesländern und mit noch mehr Kommunen und Städten über die DIN SPEC 91484 zu sprechen. Dies sollte auch nicht unsere Aufgabe sein, sondern solche Vorstöße sollten von Verbänden und aus der Politik kommen. Nichts desto trotz geben wir unser Bestes, und verbreiten unser Wissen über das zirkuläre Bauen so gut wie es geht.  

JS: Herzlichen Dank für euer Engagement und für das Gespräch!

Bild: Concular
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