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Baupolitik in Deutschland

Wie wirkt das QNG?

Mit dem Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) und der darauf basierenden Förderung will die Bundesregierung mehr Nachhaltigkeit beim Bauen erreichen. In rund der Hälfte der KFN-geförderten Neubauten wird schon nach diesen Kriterien gebaut. Produkte mit dem natureplus-Qualitätszeichen erfüllen die Fördervoraussetzungen in Bezug auf Schadstoffe.

November 19, 2024

Mit dem Förderprogramm "Klimafreundlicher Neubau" (KFN) im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) werden seitens der Bundesregierung Anreize gesetzt für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Baubereich, weil das Programm den ganzen Lebenszyklus von Gebäuden in den Blick nimmt. So können bei der Neubauförderung mit Nachweis des Qualitätssiegels Nachhaltige Gebäude (QNG) deutlich höhere Fördersätze erzielt werden. Das QNG ist ein staatliches Gütesiegel für Gebäude. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) fungiert als Siegelgeber und arbeitet mit akkreditierten Zertifizierungsstellen mit registrierten Bewertungssystemen des Nachhaltigen Bauens als Vergabestellen. Dies sind im Wohnungsbau derzeit DGNB, BiRN, NaWoh und LNB.

Bild: natureplus e.V.

Das Qualitätssiegel adressiert private Bauherrschaften ebenso wie kommunale und institutionelle Akteure und Akteurinnen. Es bedient Vermarktungsaspekte und eignet sich als Qualitätssicherungsinstrument. Gebäude sollen klimaschonend, komfortabel, gesundheitsgerecht, funktional und technisch ausgereift sein und gleichzeitig kostengünstig gebaut und betrieben werden. Für die unmittelbar Nutzenden sind der Komfort und die Funktionalität wesentliche Faktoren, für die Gesellschaft die Inanspruchnahme von Ressourcen und die Reduktion negativer Umweltwirkungen. Die QNG-Förderung erfordert die Zertifizierung des Gebäudes durch eine akkreditierte Zertifizierungsstelle und definiert allgemeine und besondere Anforderungen an die Nachhaltigkeit des Bauens. Das QNG wird in zwei Anforderungsniveaus vergeben, die sich durch unterschiedlich ambitionierte Mindestanforderungen in den Kriterien mit besonderem öffentlichem Interesse auszeichnen. Die Anforderungsniveaus lassen die Erfüllung nachhaltigkeitsrelevanter Merkmale und Eigenschaften in überdurchschnittlicher Qualität (QNG-PLUS) und deutlich überdurchschnittlicher Qualität (QNG-PREMIUM) auf einen Blick erkennen.

Grundanforderungen des QNG

Mit der Nachhaltigkeitszertifizierung durch die registrierten Bewertungssysteme werden die wesentlichen Aspekte des nachhaltigen Bauens abgedeckt:

  • Soziokulturelle und funktionale Qualität (z.B. thermischer Komfort, Innenraumlufthygiene, Taglichtversorgung, Schallschutz, Barrierefreiheit)
  • Ökonomische Qualität (z.B. Kosten im Lebenszyklus, Wertstabilität, Flächeneffizienz, Vermietbarkeit, Anpassbarkeit)
  • Ökologische Qualität (z.B. Treibhausgaspotenzial, Flächeninanspruchnahme, Ressourcenverbrauch, Schad- und Risikostoffe in Baumaterialien)
  • Technische Qualität (z.B. Qualität der Gebäudehülle, Rückbau- und Recyclingfreundlichkeit)
  • Prozessqualität (z.B. Anforderungen an Planung, Bau und Betrieb).

Die Einzelheiten sind in den jeweiligen Kriteriensteckbriefen der einzelnen Bewertungssysteme geregelt.

Besondere Anforderungen des QNG an Wohngebäude

Für die Verleihung des QNG sind zusätzlich Mindestanforderungen in einigen Kriterien mit besonderem öffentlichem Interesse zu erfüllen. Die besonderen Anforderungen richten sich an

  • die Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus (d. h. über einen Zeitraum von 50 Jahren): QNG-PLUS maximal 24 kg CO2 Äqu./m²a; QNG-PREMIUM maximal 20 kg CO2 Äqu./m²a.
  • den Primärenergiebedarf (n.e.) im Lebenszyklus: QNG-PLUS maximal 96 kWh/m²a; QNG-PREMIUM maximal 64 kWh/m²a.
  • die nachhaltige Materialgewinnung: QNG-PLUS mindestens 50%, QNG-PREMIUM mindestens 80% der neu eingebauten Hölzer, Holzprodukte und / oder Holzwerkstoffe nachweislich aus nachhaltiger Forstwirtschaft.
  • die Schadstoffvermeidung in Baumaterialien: QNG-PLUS - alle bauausführenden Firmen sind vertraglich zur Einhaltung der QNG-Qualitätsanforderungen an die Schadstoffvermeidung verpflichtet und die Firmen erklären nach Fertigstellung ihrer Leistungen deren Erfüllung; QNG-PREMIUM - die Erfüllung der QNG-Qualitätsanforderungen an die Schadstoffvermeidung für alle neu eingebauten Materialien und Produkte wurde nachgewiesen.  
  • die Barrierefreiheit: div. Anforderungen an Erschließung, Aufzug, Wege-/Türenbreite, Wende- und Bewegungsflächen.

Bei Nichtwohngebäuden kommen für eine QNG-Förderung in der Regel schärfere und zusätzliche Anforderungen hinzu, etwa eine Recyclingquote bei mineralischen Baustoffen.

Was bedeutet QNG für Bauprodukte?

Wie gesagt ist QNG zuallererst ein Gütesiegel für nachhaltige Gebäude. Die verwendeten Materialien werden grundsätzlich nicht nach QNG-Kriterien bewertet. Als genereller Maßstab gelten lediglich die Zahlen aus der Ökobilanz, die als ein Faktor in die Treibhausgasemissionen einfließen, aber nicht alle bei der Herstellung entstehenden Emissionen und auch keine möglichen Kohlenstoff-Senken bilanziell erfassen. Einzige Ausnahme ist das Thema Schadstoffvermeidung: Wie das BMWSB in seinen QNG-Erläuterungen schreibt, besteht neben dem individuellen Interesse an einer wohngesunden Umgebung auch ein öffentliches Interesse an einer geringen Schadstoffbelastung von Baumaterialien. Die Belastung bei der Verarbeitung im Bauhandwerk ist meist ungleich höher als die Belastung für die Nutzerinnen und Nutzer. Auch die Herstellung von Chemikalien birgt Risiken für Umwelt und Gesellschaft bei großflächiger Freisetzung von Schadstoffen im Havariefall. Nicht zuletzt sind schadstoffbelastete Materialien ein Hindernis für die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft.

natureplus zertifizierte Bauprodukte sind QNG-konform. Bild: natureplus e.V.

Diese Risiken und Schwierigkeiten können, vorausschauend geplant, leicht minimiert werden. In der Regel ist kein Verzicht auf bestimmte Baustoffgruppen erforderlich, sondern lediglich eine gezielte Produktwahl. Hierbei helfen Siegel, welche die Einhaltung der konkreten QNG-Anforderungen an einzelne Baustoffe dokumentieren. Deshalb hat natureplus die Konformität der natureplus Anforderungen mit dem QNG Anhangdokument 3.1.3 (Schadstoffvermeidung in Baumaterialien des QNG-Anforderungskatalogs) unabhängig durch einen externen Dritten prüfen lassen. Diese Prüfung hat ergeben, dass die natureplus Qualitätsanforderungen die Anforderungen des QNG in aller Regel erfüllen und sogar übererfüllen - mit der einzigen Ausnahme der Verwendung borathaltiger Flammschutzmittel. Deshalb stellt natureplus seinen Kunden aktuell Konformitätsbescheinigungen mit QNG aus und bietet ihnen an, diese Konformität auch graphisch auf den Produktverpackungen zu dokumentieren.

Bauinteressierte, Planende und Baustoffproduzenten haben Vorteile durch diese Konformitätserklärung:

  • Bauinteressierte finden mit dem natureplus Umweltzeichen eine klare Orientierung auf QNG-kompatible Bauprodukte.
  • Planende finden mit dem natureplus Umweltzeichen schnell und zuverlässig QNG-konforme Bauprodukte. Hierbei hilft die natureplus Produktdatenbank. Sie erhalten einen Beleg über die QNG-Konformität direkt durch das natureplus Zertifikat und sparen Zeit bei Materialrecherche, Dokumentation und Nachweisführung für Bauprojekte nach QNG.
  • Produzenten von natureplus zertifizierten Bauprodukten haben mit der natureplus Zertifizierung automatisch ein QNG-konformes Produkt und können mit dem natureplus Zertifikat die QNG-Konformität ihres Produktes unkompliziert belegen. Sie sichern sich so einen Wettbewerbsvorteil in einem wachsenden Markt.

Das Bauministerium weist darauf hin, dass eine solche Konformitätserklärung für die Nachweisführung nach QNG grundsätzlich nicht erforderlich ist. Die akkreditierten QNG-Zertifizierungsstellen entscheiden unabhängig, anlassbezogen und risikobasiert über die anzuwendenden Prüfungsmaßnahmen auf Basis fachlicher Erwägungen. Es besteht daher die Möglichkeit, dass trotz dieser Konformitätsbescheinigung QNG-Zertifizierungsstellen die Prüfung von Bauprodukten auf Basis der gemäß QNG geforderten Nachweisdokumente durchführen und diese Nachweisdokumente einfordern. Deshalb steht natureplus mit diesen Zertifizierungsstellen in Kontakt und hat von einigen bereits eine generelle Anerkennung der QNG-Konformität von natureplus-zertifizierten Produkten erreicht.

Wie erfolgreich ist das QNG?

Quelle: BMWSB

Ausweislich der Zahlen des BMWSB (Stand Mai 2024) sind im Jahr 2023 etwa 50% der KFN-geförderten Neubauten auch mit dem Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude ausgezeichnet worden, das betrifft in Summe etwa 55.000 Wohneinheiten seit Beginn der Laufzeit bis zum Ende des 1. Quartals 2024. Im Jahr 2023 wurden durch dieses Qualitätssiegel Förderzusagen für rund 24.000 Wohneinheiten erteilt. In Relation zur gesamten Zahl der Baugenehmigungen im Jahr 2023 von 260.100 Wohneinheiten - Baugenehmigungen waren 2023 auf den niedrigsten Stand seit 2012 und sind seither weiter rückläufig - wurde also nur in etwa jedem zehnten Fall eine nachhaltige Bauqualität angestrebt. Von einer spürbaren Bauwende hin zu mehr Nachhaltigkeit kann also bislang keine Rede sein. Dies dürfte allerdings nicht in erster Linie auf eine möglicherweise geringe Attraktivität der QNG-Förderung zurückzuführen sein, sondern auf die gesamte darniederliegende Baukonjunktur, die im Wesentlichen unter den Zins- und Preissteigerungen in Folge des Angriffskriegs auf die Ukraine leidet.

Aber auch die ständigen Änderungen der Konditionen in den Förderprogrammen sowie die derzeitige Regierungskrise lassen bauwillige Privatleute und Institutionen zögern, in den Neubau zu investieren. In den Medien wurde zwar bekräftigt, dass nach dem Platzen der Ampel und dem Nicht-Zustandekommen eines Haushalts für 2025 die aktuellen Förderprogramme, darunter auch QNG, weitergeführt werden. Was das genau bedeutet, kann aber derzeit niemand so genau sagen. Ob QNG im kommenden Jahr einen Regierungswechsel überstehen wird, ist ebenfalls noch unklar.

Kritiker aus dem Naturbausektor bemängeln außerdem, dass die Ökobilanzen, auf denen die Lebenszyklus-Berechnungen beruhen, den konventionellen Bauprodukten zu viele Schlupflöcher für "Greenwashing" lassen und zudem die CO2-Speicherpotenziale der Naturbaustoffe nicht berücksichtigen würden. An dieser systematischen Problemlage dürfte sich vorerst nichts ändern, weil auch die für Deutschland letztlich verpflichtenden EU-Vorschriften (Bauprodukten-Verordnung CPR, Gebäuderichtlinie EPBD, Taxonomieverordnung), die alle 2024 neu in Kraft getreten sind, eine solche Unterscheidung nicht möglich machen.

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Autor
Thomas Schmitz
Journalist, unabhängiger Berater für nachhaltiges Bauen, ehemaliger Geschäftsführer von natureplus.