Mustersanierung nach dem Energiesprong-Prinzip, Pilotprojekt Bochum Vonovia. Foto: Fischbach Gruppe

Bauszene

EU-Gebäuderichtlinie: Zu wenig für Klimaschutz?

Der Kommissionsentwurf der EPBD wurde von den Regierungen der Mitgliedsstaaten deutlich zurückgestutzt. Umweltverbände stören sich besonders an der fehlenden Sanierungsverpflichtung für einzelne Gebäude. Jetzt tritt die Richtlinie demnächst in Kraft.

January 16, 2024

EU-Parlament, Mitgliedsländer und EU-Kommission einigten sich im Dezember 2023 auf den finalen Text der Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD). Die EU-Gebäuderichtlinie stellt den Fahrplan zur Erreichung der Klimaneutralität im europäischen Gebäudesektor bis 2050 dar. Der Vorschlag der EU-Kommission sah die Einführung verbindlicher Mindeststandards für die Energieeffizienz von Gebäuden (MEPS) vor. Energiesparende Umbaumaßnahmen wären somit für alle Gebäude mit der schlechtesten Energiebilanz verpflichtend geworden. Der Kompromiss will nun „durch Mindestnormen eine schrittweise Verbesserung für die Gesamtenergieeffizienz“ erreichen. Die Vorgaben beziehen sich also auf den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch des gesamten Wohngebäudebestands eines Mitgliedsstaates, die Sanierungspflicht für Einzelgebäude, insbesondere derjenigen mit der schlechtesten Performance (WPB), ist damit vom Tisch.

Umweltverbände machen hauptsächlich die Deutsche Bundesregierung für diesen Kompromiss verantwortlich, der in ihren Augen dazu führen wird, dass die Klimaziele im Baubereich ohne zusätzliche Anstrengungen in einzelnen Ländern unerreichbar würden. Bundesbauministerin Klara Geywitz hingegen äußerte sich folgendermaßen: "Wir werden die Klimaziele einhalten, indem wir ganze Quartiere einbeziehen und nicht jedes einzelne Gebäude. Der gefundene Kompromiss orientiert sich an der Realität und überfordert weder die Familie im Einfamilienhaus auf dem Land noch den Bäckermeister mit kleiner Backstube und Verkaufsraum." Der Einigung müssen die jeweiligen EU-Institutionen noch formal zustimmen. Der Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) wird am 23. Januar als letztes über den Text abstimmen. Danach werden die neuen Rechtsvorschriften im Amtsblatt der Union veröffentlicht und treten in Kraft.

Was war der Hintergrund?

Nach der nun gefundenen Einigung wird es den Mitgliedstaaten überlassen, wie sie das Ziel erreichen, den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch von Wohngebäuden bis 2030 um 16 Prozent und bis 2035 um weitere 20 bis 22 Prozent zu senken. „Die Mitgliedstaaten können frei entscheiden, auf welche Gebäude sie abzielen und welche Maßnahmen sie ergreifen wollen“, heißt es seitens der EU-Kommission. Es gibt keine Sanierungspflichten für Einzelgebäude mehr. Allerdings müssen die nationalen Maßnahmen sicherstellen, dass mindestens 55 Prozent des Rückgangs des durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs durch die Renovierung der Gebäude mit den schlechtesten Werten erreicht wird.  

Dass sich die Bundesregierung für diese flexiblere Regelung einsetzte, hat nach Einschätzung des Umweltverbands natureplus in erster Linie mit der Geschichte des GEG, des sogenannten "Heizungsgesetzes", zu tun. Auch hier hatten strenge zeitliche Vorgaben für den Austausch von Gas- und Ölheizungen, die unmittelbar auch kleine Hausbesitzer betroffen hätten, zu großer Verunsicherung und Widerstand geführt. Die Diskussion hatte auch gezeigt, dass ohne massive staatliche Subventionen keine Akzeptanz dieser Maßnahmen im Gebäudebestand zu erreichen ist. Die nun favorisierte Lösung, auf die Quartiersebene zu gehen, ermöglicht einen flexibleren Umgang mit der vorhandenen Gebäudesubstanz und die Konzentration der Fördermittel auf bestimmte Leuchtturmobjekte. So hat Bauministerin Geywitz bereits angekündigt, "zuerst Schulen, Feuerwehrwachen und andere öffentliche Einrichtungen sanieren" zu wollen.

Zugeständnisse und Ausnahmen

Für bestimmte Gebäude-Kategorien soll es Ausnahmen geben, sie gelten etwa für landwirtschaftlich oder militärisch genutzte Gebäude, denkmalgeschützte Häuser oder Ferienhäuser. Als Zugeständnis an das Parlament, das strengere Standards gefordert hatte, wird nun eine Evaluierung im Jahr 2028 eingeführt: Falls die Einsparziele für 2030 und 2035 nicht erreicht werden, soll die Richtlinie nachjustiert werden. Die Richtlinie verpflichtet darüber hinaus die EU-Mitgliedstaaten, nationale Gebäudesanierungspläne aufzustellen, nationale Programme für Gebäudesanierungspässe einzurichten und zentrale Anlaufstellen für Hauseigentümer, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und alle Akteur*innen in der Renovierungswertschöpfungskette zu schaffen.

Aus für fossile Heizkessel

Und auch bezüglich des Heizungsthemas sieht die EU-Gebäuderichtlinie neue Vorschriften vor: Ab dem 1. Januar 2025 sind Subventionen für die Installation von mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln verboten, bis 2040 (das Parlament wollte 2035) will die EU einen vollständigen Verzicht auf fossile Heizkessel erreichen. Dafür müssen die Mitgliedstaaten spezifische Maßnahmen für den schrittweisen Ausstieg aus der Verwendung fossiler Brennstoffe für Heiz- und Kühlzwecke festlegen. Die EU-weite Harmonisierung der Energieausweise für Gebäude (EPC) sollen laut EU-Kommission „auf einem gemeinsamen EU-Muster mit gemeinsamen Kriterien basieren.“

Soziale Absicherung

Finanzielle Anreize für Gebäuderenovierungen sollen nicht breit gestreut werden, sondern insbesondere auf schutzbedürftige Kunden und Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz abzielen. Außerdem sollen Mitgliedstaaten Schutzmaßnahmen für Mieter*innen auf den Weg bringen, um finanzielle Risiken nach einer Renovierung zu minimieren.

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Autor
Thomas Schmitz
Journalist, unabhängiger Berater für nachhaltiges Bauen, ehemaliger Geschäftsführer von natureplus.