FIW: Gebäudesanierung beschleunigen!
Gutachten sieht wachsende Klimalücke im Gebäudesektor. Gebäude-Allianz fordert Erhöhung und Konzentration der Sanierungsförderung auf einkommensschwache Haushalte und Einfamilienhäuser.
Die Bundesregierung müsse gegensteuern, um ihre Klimaziele für 2030 und 2045 einhalten zu können, konstatierte im April das Verbändebündnis "Gebäude-Allianz" - darunter der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Verbraucherzentrale Bundesverband und die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Sie forderten eine Sanierungsoffensive, verbunden mit einem beschleunigten Ausbau erneuerbarer Wärmeversorgung: die Sanierungsrate müsse verdoppelt werden, es müsse gründlicher saniert werden ("Sanierungstiefe erhöhen") und mehr Geld in die Förderung fließen.
Im Auftrag der Verbände hatte das Forschungsinstitut für Wärmeschutz München (FIW) ein Gutachten erstellt. Es kommt zu dem Schluss: Die bisher festgelegten Maßnahmen im novellierten Gebäudeenergiegesetz (GEG 2024) und der unterstützenden Bundesförderung für energieefiziente Gebäude (BEG) reichen nicht aus, um das Sektorziel bis 2030 zu erreichen. Die Lücke zum jährlichen Zielwert werde sogar immer größer. Ein Weiter-So im Gebäudesektor führe bis 2030 insgesamt zu einer Mehremission von 84 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (siehe Grafik). Bereits 2023 hatte neben dem Verkehrssektor auch der Gebäudesektor die gesetzlichen CO2-Vorgaben verfehlt. Um die Lücke zu schließen, müssten bis 2030 zusätzlich 3 Millionen Wohnungen saniert und knapp 3 Millionen Wärmepumpen eingebaut werden, hieß es von Seiten der Verbände.
Stockende Sanierung
Große Sorgen macht der Gebäudeallianz der aktuell stockende Sanierungsmarkt: Eine Sanierungsrate von bis zu zwei Prozent sei nötig, um die Klimaziele im Gebäudesektor zu schaffen – bisher liege die Quote aber nur bei 0,7 Prozent. Das ergibt eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundesverbands energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG), der ebenfalls der Gebäude-Allianz angehört. Und für das erste Halbjahr 2024 wird ein weiteres Absinken der Sanierungsrate erwartet. "Die Bundesregierung hat zuletzt den Fokus zu stark auf den Heizungstausch gelegt und die energetische Sanierung des Gebäudebestands zu sehr aus den Augen verloren", warnte der BuVEG-Geschäftsführer Jan Peter Hinrichs.
Eine Folge des umstrittenen Heizungsgesetzes und des zähen politischen Ringens war zudem der laut FIW-Gutachten "unvorhergesehen" zahlreiche Einbau neuer Gasthermen im vergangenen Jahr, während gleichzeitig aktuell der Absatz von Wärmepumpen stockt. Diese Heizungen würden noch für Jahrzehnte CO2 produzieren, bis 2045, so Studienautor Andreas Holm. Deutschland will bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden. Das bedeutet, dass fossile Brennstoffe in Heizungen spätestens ab 2045 nicht mehr genutzt werden dürfen. Auch seien die Ausnahmeregeln im GEG zu weitreichend.
Schwerpunkt auf 1-2-Familienhäuser setzen
Nach Thomas Engelke, dem Energieexperten des Verbraucherzentrale Bundesverbands, spielen für die Erreichung der Klimaziele die Ein- und Zweifamilienhäuser eine Schlüsselrolle. Die finanziellen Fördermittel zu ihrer energetischen Sanierung müssten erhöht werden. Einzelmaßnahmen seien nicht ausreichend, um die Lücke zu schließen, so die Gebäude-Allianz. Es brauche einen Rollout erneuerbarer Wärmeversorgung sowie eine verlässliche und langfristig planbare Förderkulisse. Maßnahmen zur Verbesserung der Gesamteffizienz sind laut Forderungskatalog der Bündnisses der Schlüssel für eine bezahlbare und verlässliche Energiewende in Deutschland. Es sei "das Gebot der Stunde", die Europäische Gebäuderichtlinie (EPBD) in die nationale Umsetzung zu bringen.
Die FIW-Forscher schlagen vor, Ausnahmen im GEG 2024 zu reduzieren und die Effizienzanforderungen zu verschärfen. Auch eine größere Verlässlichkeit von Förderprogrammen könne die Sanierungstätigkeit pushen: "Die Neu-Priorisierung, Umgestaltung und Erhöhung der öffentlichen Förderprogramme ist essenziell, um sicherzustellen, dass Sanierungsmaßnahmen im Gebäudesektor in entsprechender Anzahl und auf entsprechendem Niveau umgesetzt werden. Die Förderprogramme sollten insbesondere auf Worst-Performing Wohngebäude und Haushalte mit niedrigem Einkommen zugeschnitten werden, damit die Energie- und Klimawende gelingt und auch der Schutz der Verbraucher:innen und vulnerabler Privathaushalte fokussiert wird."
Bundesregierung sieht sich auf Kurs
Der Expertenrat für Klimafragen hatte am 15.4.2024 seinen Prüfbericht gemäß Klimaschutzgesetz zu den Emissionsdaten 2023 vorgelegt und bescheinigte dem Gebäudesektor Emissionsminderungen um 7,5 Prozent (entspricht mehr als acht Millionen Tonnen CO2) gegenüber dem Vorjahr. Bauminsterin Klara Geywitz (SPD) sieht ihr Ressort damit auf Kurs: "Damit konnte der Gebäudesektor sein Ziel aus dem Klimaschutzgesetz erstmals nahezu erreichen. Die Verfehlung liegt nur bei rund einem Prozent." Kritiker sehen darin allerdings einen einmaligen Spareffekt aufgrund des warmen Winters und stark gestiegener Energiepreise.