Gebäude aus den Augen verloren
Kommentar: Das Gebäudeenergiegesetz der Bundesregierung hat die ganzheitliche Betrachtung des Gebäudebereichs aus den Augen verloren. Statt den Stillstand bei der Dekarbonisierung schnell zu überwinden, fördert es mit großem bürokratischem Aufwand eine einseitige Priorisierung von Haustechnik und verfehlt die Klimaziele deutlich.
Selbst nach der Verabschiedung der Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) - vulgo "Heizungsgesetz" oder auch "Habecks Heiz-Hammer" (BILD) genannt - beruhigen sich die Gemüter nicht. Mit dem erneuten Ruf nach dem Verfassungsgericht wegen angeblich unzureichender Anhörung und der Androhung neuer Obstruktion im Bundesrat für den Fall, dass die angekündigte Förderung durch den Bund nicht ausreichen sollte, wütet die Opposition weiter gegen dieses Gesetz, das wie kein anderes zuvor die Stimmung in Deutschland gegen den Klimaschutz und gegen die Ampel-Regierung gedreht hat. Und auch von Seiten der Umwelt- und Verbraucherverbände kommt scharfe Kritik: „Das GEG in seiner jetzigen Form liefert für den Klimaschutz weder die richtigen Maßnahmen noch die nötige Geschwindigkeit“, urteilt der WWF Deutschland. Der neue Entwurf mache „die Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele unmöglich“, erklärt die Deutsche Umwelthilfe (DUH).
Dabei waren eigentlich genau die Klimaziele das Motiv für die Erarbeitung der GEG-Novelle. Das GEG war bereits 2020 eingeführt worden, um den Energieverbrauch in Gebäuden zu senken und den Umstieg auf erneuerbare Energien zu fördern. Es sah vor allem bessere Dämmstandards im Neubau und bei der Sanierung vor und ersetzte damals unter anderem die Energieeinsparverordnung. Aufgrund der Initiative der "Bauwende"-Bewegung wurden erste Ansätze einer Lebenszyklusbetrachtung der Gebäude in die Neubauförderung aufgenommen, vor allem durch das "Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude" (QNG). Die Lebenszyklusbetrachtung nimmt neben den Energieverbräuchen in der Nutzungsphase endlich auch die "graue Energie" in den Blick, die bei der Herstellung, Verarbeitung, Wartung und Entsorgung der Baumaterialien anfällt. Doch das GEG in seiner ersten Fassung zeigte nicht die gewünschte Wirkung, weil der Gebäudebereich seine gesetzlich fixierten Klimaziele stets deutlich verfehlte. Denn die dringend notwendige Altbausanierung stagniert mangels entsprechender Anreize seit Jahren. Zudem bricht aktuell die Baukonjunktur ein. Deshalb beschloss die Bundesregierung zunächst noch einmütig, das Tempo des Umbaus zu beschleunigen, indem man sozusagen am Ende des Ganzen mit den Heizungsanlagen anfängt.
Klimaziele bis 2030 werden verfehlt
Das Ergebnis ist bekannt. Weil der Abschied von Öl und Gas im Heizungsbereich nicht eingebettet ist in ein Gesamtkonzept des Klimaschutzes im Gebäudesektor insgesamt, weil mit dem Mittel der Verordnung statt der Anreize gearbeitet wird und weil sich die Debatte zunächst auf eine technische Frage verengte (Kann die elektrische Wärmepumpe die Millionen von Gas- und Ölheizungen im Lande ersetzen?), wurde der ursprüngliche Impuls immer weiter zerrieben und mittels Ausnahme- und Übergangsregeln in die Zukunft verschoben, ohne dadurch allerdings an Zustimmung in der Bevölkerung zu gewinnen. Mittlerweile rechnet die Bundesregierung selbst nur noch mit CO2-Einsparungen von 40 Mio. Tonnen bis 2030. Auch wenn es nach 2030 dann schneller vorangehen sollte, sind so die Klimaziele bis 2030 im Gebäudebereich nicht zu erreichen. Zum Vergleich: Steigt Deutschland wie geplant erst 2038 aus der Kohleverstromung aus, so addieren sich die künftigen CO2-Emissionen aus Kohlekraftwerken unter aktuellen Rahmenbedingungen auf fast zwei Milliarden Tonnen. Allein der intensive Einsatz deutscher Kohlekraftwerke im vergangenen Jahr hat schon zu zusätzlichen Emissionen von 15,8 Mio. Tonnen CO2 geführt (Quelle: Energy Brainpool / WWF).
Deutlicher ist das Scheitern der Klimaschutzpolitik im Gebäudebereich in Deutschland nicht zu beschreiben. Der Gesetzgeber hat das Gebäude als Ganzes aus den Augen verloren. Sogar der ideologischer Indoktrinierung unverdächtige TÜV-Verband beklagt in einer aktuellen Stellungnahme zum GEG, dass "der Fokus auf den Austausch von Heizungsanlagen" zur Nutzung von erneuerbaren Energiequellen liegt, dabei allerdings "graue Emissionen und graue Energien" bei deren Herstellung vernachlässige. Diese Aspekte seien jedoch "im Zusammenhang mit Heizungssystemen von entscheidender Bedeutung." Deshalb fordert der TÜV-Verband, die QNG-Anforderungen auf Modernisierungsprojekte und Einzelmaßnahmen auszudehnen, um "eine nachhaltige Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden" zu erreichen. Aus Sicht von natureplus ist dem hinzuzufügen, dass bei einer solchen Gesamtbetrachtung eine Investition in die Gebäudesubstanz, etwa in Dämmung mit klimafreundlichen Materialien, mehr und langfristiger wirksame CO2-Einsparung verspricht, als allein die neueste Heizungstechnik mit ihren kurzen Lebenszyklen. Individuelle Low-tech-Lösungen verbunden mit einer soliden Gebäudesubstanz können dauerhaften Klimaschutz zum deutlich günstigeren Preis bieten.
Neuer Ansatz wird notwendig
Dazu müssen allerdings die Menschen ermutigt werden, nach diesen individuellen Lösungen zu suchen. Das gelingt nicht durch bürokratisches Mikromanagement, sondern durch die Vorgabe eines Ziels und die Freigabe des Wegs zur Zielerreichung. Der ideale Hebel zur Dekarbonisierung (nicht nur) des Gebäudebereichs liegt in der CO2-Bepreisung, die eben auch den CO2-Rucksack der Materialien und der Haustechnik erfassen muss. Damit verbunden sein müssten CO2-Gutschriften für die Produkte, die zur dauerhaften CO2-Speicherung beitragen, sowie gewisse Entlastungen aus sozialen und Wettbewerbs-Gründen. Dadurch würde die Nachfrage ganz von allein in Richtung Klimaschutz gelenkt, in einer Übergangszeit würde die Gesellschaft wohl auch mit einem gewissen Komfortverzicht leben müssen. Zugestanden, das hört sich einfacher an als es tatsächlich sein wird. Aber die Chance bestünde, dass ein klares Ziel mit viel weniger Regelwerk die Fantasie und die Kräfte mobilisieren würde, die sich gegenwärtig in Abwehrkämpfen erschöpfen.