Titel der Studie

Bauszene

Grünes Geld für Gebäudesanierung

Eine neue UBA-Studie zur "Finanzierung von energetischen Gebäudesanierungen" identifiziert ökonomische und rechtliche Hemmnisse bei der Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen bei Wohngebäuden und leitet daraus Empfehlungen ab, um die vorhandenen Sanierungspotentiale besser erschließen zu können.

March 19, 2024

Gebäude sind innerhalb der Europäischen Union (EU) für ca. 40 Prozent, in Deutschland für ca. 35 Prozent der ⁠CO2⁠-Emissionen verantwortlich. Der Gebäudesektor ist somit der größte einzelne Energieverbraucher in Europa. Entsprechend könnte energetische Sanierung einen erheblichen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten. Die Sanierungsraten im Gebäudebestand in Deutschland liegen mit 1 Prozent p.a. aber deutlich unter den ca. 2-4 Prozent, die notwendig wären, um die Klimaziele des Pariser Abkommens, der EU und der Bundesregierung zu erreichen.

Die Studie "Finanzierung von energetischen Gebäudesanierungen" im Auftrag des Umweltbundesamtes untersucht verschiedene Aspekte der Finanzierung von energetischer Sanierung von Wohngebäuden und analysiert dabei insbesondere die regulatorischen Rahmenbedingungen der EU im Bereich nachhaltiger Finanzierung, besonders die Sustainable Finance-Regulierung der Europäischen Union (EU). Die Autoren Tobias Popovic und Jessica Reichard-Chahine von der Hochschule für Technik Stuttgart, Zentrum für Nachhaltiges Wirtschaften und Management (ZNWM), sowie dem Verein für Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in Finanzinstituten e.V. (VfU), Frankfurt am Main, beleuchten sowohl rechtliche als auch ökonomische Gesichtspunkte aus deutscher Perspektive. Durch die kritische Analyse sollen Schwachstellen und Potenziale identifiziert werden, um Empfehlungen für eine effektivere und nachhaltigere Finanzierung von energetischen Gebäudesanierungen abzuleiten. Die Autoren bringen dabei ihre Expertise im Bereich nachhaltiges Wirtschaften und Management sowie Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in Finanzinstituten ein, um eine fundierte Bewertung vorzunehmen. Durch diese multidisziplinäre Herangehensweise wird gewährleistet, dass die Analyse sowohl wissenschaftlichen als auch praxisrelevanten Anforderungen gerecht wird.

Analyse des Gebäudebestands und des Finanzierungsbedarfs

Die Autoren stellen fest, dass nur 3 Prozent der 220 Mio. Gebäude in der EU mit Klasse A des EPC-Energieausweises bewertet sind, was die Untergrenze für einen dekarbonisierten Gebäudebestand darstellt. In Deutschland entsprechen nur 5 Prozent der Klasse A. Dies allein zeigt schon die Relevanz einer effizienten Modernisierung des Gebäudebestandes. In Deutschland darf der Gebäudesektor im Jahr 2030 lt. der Novelle des Klimaschutzgesetzes 2021 noch höchstens 67 Mio. Tonnen CO2 verbrauchen, was einem Rückgang um rund 67 Prozent gegenüber 1990 entsprechen würde. Damit müsste der Treibhausgasausstoß von Bestandsgebäuden bis 2030 in jedem Jahr durchschnittlich um mindestens 4 Prozent sinken. Verbesserungspotentiale ergeben sich lt. der Studie auf verschiedenen Ebenen wie der Energie, die zur Herstellung eines Gebäudes gebraucht wird, der Nutzungsenergie zur Beheizung und Klimatisierung aber auch bei der Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, der in eine Kreislaufwirtschaft überführt werden müsse. Die Auswahl der Baumaterialien spiele für den Klimawandel eine entscheidende Rolle, da das Bauwesen einen deutlichen Einfluss auf Rohstoffeinsatz und Ressourcenverbrauch hat. Für einen klimaneutralen Gebäudebestand bis 2045 müssen also einerseits die Energieverluste massiv reduziert und gleichzeitig der verbleibende Energiebedarf durch eine CO2-arme Wärme- und Warmwasserversorgung gedeckt werden.

Die hierfür notwendigen Finanzsummen sind enorm und übersteigen bei weitem die Möglichkeiten der öffentlichen Hand: Obwohl die EU in ihrem mehrjährigen Finanzrahmen für 2021–2027 sowie mit dem Aufbauinstrument Next Generation EU (NGEU) hohe Fördersummen von jährlich 85-90 Mrd. EUR zur Verfügung stellt, überschreiten die nötigen Investitionen (bis 2030 schätzungsweise über 3,5 Bio. EUR) beim weitem die Möglichkeiten der öffentlichen Förderungen. Die Investitionslücke wird bis 2030 auf 275 Mrd. EUR pro Jahr geschätzt. In Deutschland braucht es nach verschiedenen Berechnungen bis 2045 47 Mrd. für Gebäudesanierungen im öffentlichen Bereich und 150 Mrd. jährlich im privaten Wohnungsbereich zur Erfüllung der Klimaziele. Um den verbleibenden Finanzierungsbedarf zu decken, muss privates Kapital mobilisiert werden. Innerhalb der EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums stellt die EU-Taxonomie ein entsprechendes Klassifikationssystem zur Verfügung. "Gelingt es, unterstützt durch geeignete regulatorische Maßnahmen, Kapitalströme über den Kapitalmarkt von nicht-nachhaltigen Finanzierungsmodellen im Gebäudesektor in nachhaltige Gebäudesanierungen umzulenken, könnte der Kapitalmarkt mittelfristig als „Katalysator“ für eine Transformation wirken", erwarten die Autoren.

Risiken und Hemmnisse

Zugleich ist die Finanzindustrie durch ihre Investments in den Gebäudesektor auch diversen Nachhaltigkeitsrisiken ausgesetzt. Der Klimawandel bewirkt physische Risiken für die Gebäude durch Stürme, Überschwemmungen, Überflutungen sowie die steigenden Temperaturen, zudem wird ein schlechter Gebäudestandard zunehmend als potentielles Investitionsrisiko angesehen. Zu den Transformationsrisiken gehören beispielsweise Leerstandsquoten durch sich verändernde Wirtschaftsaktivitäten, steigende CO2-Preise, Änderungen des regulatorischen Rahmens für energetische Sanierungen und des Miet- und Nutzerverhaltens sowie die Gefahr von Mietverboten für energieineffiziente Gebäude. Zudem ist davon auszugehen, dass unsanierte, nicht-energieeffiziente Immobilien in naher Zukunft an Wert verlieren (bis hin zu sogenannten "stranded assets") - mit negativen Konsequenzen für ihre Eigentümer*innen bzw. Investor*innen.

Dass der Finanzsektor eine zunehmend wichtige Rolle für eine nachhaltige Transformation in kohlenstoffintensiven Sektoren wie Gebäude und Immobilien spielt, ist mittlerweile durch Regelungen auf Europäischer und nationaler Ebene anerkannt, die Kapitalströme in eine Richtung lenken sollen, die im Einklang mit einer Senkung der Treibhausgasemissionen und einer klimaresistenten Entwicklung steht, darunter auf EU-Ebene die CSR-Richtlinie, der EU Action Plan on Financing Sustainable Growth, der European Green Deal Investment Plan and Just Transition Mechanism sowie der EU Recovery Plan. Hinsichtlich des Neubaus, der Renovierung bestehender Gebäude sowie dem Erwerb von Immobilieneigentum legt die EU-Taxonomie bzw. der delegierte Rechtsakt für das Umweltziel Klimaschutz sehr strenge Bewertungskriterien beispielsweise hinsichtlich des Primärenergiebedarfs, notwendiger Energieeinsparungen (bei Sanierungen) sowie der Energieeffizienzklassen an, andernfalls die geplante Investition nicht als nachhaltig gelten kann.

In der Praxis ergeben sich jedoch Hemmnisse: Die für die Prüfung seitens der Finanzdienstleister notwendigen Informationen übersteigen bei weitem die bislang üblicherweise bei Finanzierungsanfragen geprüften Kriterien. Zum anderen ist davon auszugehen, dass die jeweiligen Kund*innen im Regelfall nicht über die entsprechenden Daten verfügen. Fraglich ist auch, ob die Taxonomie, in ihrer aktuell gültigen Form, im Gebäudesektor die richtigen Anreize setzt: Denn aktuell wird bei Immobilien nur der Primärenergiebedarf berücksichtigt, aber nicht, welche "grauen" Emissionen beim Bau anfallen. Dies würde häufig den Abriss und Neubau vor der Sanierung eines nicht energieeffizienten Gebäudes bevorzugen, was seitens der Autoren kritisch betrachtet wird.

Ursachen für unzureichende Sanierungsaktivitäten

Ausführlich analysiert die Studie Treiber und Hemmnisse für die Erhöhung der Sanierungsraten: Die zu geringen Sanierungsraten, die unzureichenden Sanierungsqualitäten, sowie die damit einhergehende schleppende Dekarbonisierung des Gebäudesektors sind danach vor allem auf mangelnde Datenverfügbarkeit zum energetischen Zustand von Gebäuden, mangelnde Sanierungs- und Finanzkenntnisse seitens der Gebäudeeigentümer*innen und -nutzer*innen, mangelnde Sanierungsanreize und nicht zuletzt auf die mangelnde Verfügbarkeit entsprechender Finanzierungs- und Versicherungsprodukte zurückzuführen. Zur Erschließung des Kapitalmarktes gibt die Studie zahlreiche praxisnahe Empfehlungen, wie die Treiber - beispielsweise staatliche Förderprogramme - besser zu nutzen und die Hemmnisse zu überwinden sind. Im folgenden findet sich eine Zusammenfassung der Empfehlungen (mit ChatGPT erstellt).

Zusammenfassung der Empfehlungen

Die Studie identifiziert mehrere ökonomische und rechtliche Hemmnisse bei der Finanzierung der energetischen Gebäudesanierung in Deutschland:

1. Kostenaufwand und Rentabilität: Energetische Gebäudesanierungen erfordern oft erhebliche Investitionen, deren Rentabilität nicht immer klar ist. Dies kann potenzielle Investoren abschrecken.

2. Finanzierungsmöglichkeiten: Es besteht eine Vielzahl von Finanzierungsinstrumenten, jedoch sind diese oft unzureichend koordiniert und nicht optimal auf die Bedürfnisse von Gebäudeeigentümern und Investoren abgestimmt.

3. Rechtliche Unsicherheiten: Komplexität und Unsicherheiten im rechtlichen Rahmen, einschließlich regulatorischer Anforderungen und Förderprogramme, können die Finanzierung erschweren und zu Verzögerungen führen.

4. Mangelnde Transparenz: Es mangelt oft an Transparenz über die langfristigen wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile energetischer Gebäudesanierungen, was potenzielle Investoren von einer Finanzierung abhalten kann.

Die Autoren leiten aus diesen Herausforderungen folgende Empfehlungen ab:

1. Klare Anreize setzen: Es sollten klare und attraktive Anreize für die Finanzierung von energetischen Gebäudesanierungen geschaffen werden, um Investitionen zu fördern. Dies kann beispielsweise durch steuerliche Anreize oder gezielte Förderprogramme geschehen.

2. Verbesserung der Finanzierungsinstrumente: Die Vielfalt der Finanzierungsinstrumente sollte besser koordiniert und auf die Bedürfnisse der Akteure abgestimmt werden. Dies könnte die Bildung von Finanzierungskonsortien oder die Einführung innovativer Finanzierungsinstrumente umfassen.

3. Rechtliche Klarheit schaffen: Es ist wichtig, rechtliche Rahmenbedingungen zu vereinfachen und zu harmonisieren, um Unsicherheiten zu reduzieren und den Investitionsprozess zu erleichtern.

4. Erhöhte Transparenz und Aufklärung: Eine verbesserte Aufklärung über die langfristigen Vorteile energetischer Gebäudesanierungen sowie über Finanzierungsmöglichkeiten könnte potenzielle Investoren ermutigen und Vertrauen schaffen.

Zudem sollten Nachhaltigkeitskriterien in den Planungs- und Genehmigungsprozessen von Bauprojekten stärker verankert werden, um den Einsatz von nachhaltigen Baumaterialien und -technologien zu fördern und die Umweltbilanz von Gebäuden zu verbessern.

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Autor
Thomas Schmitz
Journalist, unabhängiger Berater für nachhaltiges Bauen, ehemaliger Geschäftsführer von natureplus.