Hopfen als vielseitiges Baumaterial
Hopfen, der vor allem aus der Bierherstellung bekannt ist, eröffnet durch seine guten bauphysikalischen Eigenschaften, Kreislauffähigkeit sowie sein Potenzial zur Ressourcenschonung und zum Klimaschutz neue und spannende Perspektiven als innovativer Baustoff.
Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen erleben seit einiger Zeit einen deutlichen Aufschwung, da die Nachfrage nach nachhaltigen Material-Alternativen im Bausektor kontinuierlich wächst. Neben bereits etablierten Materialien wie beispielsweise Holz, Stroh, Hanf und Schilf, die bereits in einer Vielzahl von Bauprodukten Verwendung finden, rückt nun ein weiterer lokaler Rohstoff in den Fokus: Hopfen. Hopfenreste, die als Nebenprodukte des landwirtschaftlichen Anbaus anfallen, bieten eine Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten und die lokale Wertschöpfung kann dadurch gefördert werden.
Die Kulturpflanze Hopfen
Hopfen (Humulus lupulus) ist eine mehrjährige Kletterpflanze und gehört zur Familie der Hanfgewächse. Sie kann Höhen von bis zu acht Metern erreichen und benötigt dafür sogenannte Aufleitdrähte, an denen sie entlang rankt. In Deutschland wird Hopfen hauptsächlich in Bayern angebaut, wobei die Hallertau mit 17.000 Hektar nicht nur das größte Anbaugebiet des Landes, sondern auch weltweit ist. Für die Bierherstellung wird nur ein kleiner Teil der Pflanze genutzt – die Blüten. Die übrigen Pflanzenteile, wie Stängel und Blätter, fallen als Nebenprodukte an und werden teilweise zusammen mit den Drähten gehäckselt, kompostiert und als Dünger wieder auf die Felder ausgebracht, in Biogasanlagen thermisch verwertet oder bleiben oft ungenutzt. Aufgrund ihrer guten bauphysikalischen Eigenschaften könnten die Pflanzenreste der Hopfenernte zukünftig eine bedeutende Rolle bei der Herstellung von Baustoffen spielen. Zudem speichert die Hopfenpflanze, wie alle nachwachsenden Rohstoffe, während ihrer Wachstumsphase CO2, das durch die Verwendung als Baustoff langfristig in Gebäuden gebunden werden kann.
Bauphysikalische Eigenschaften
Der verholzte Stängel des Hopfens enthält von Natur aus stabile Bastfasern, die sich optimal für die stoffliche Verwertung in der Baustoffherstellung eignen. Diese faserige Struktur verleiht dem Hopfen eine hohe Zugfestigkeit, während der hölzerne Kern im Inneren, bekannt als Schäbe, dem Material zusätzliche Stabilität und Druckfestigkeit verleiht. Ähnlich wie Hanf zeichnet sich auch Hopfen durch seine guten Wärme- und Schalldämmeigenschaften aus und ist hinsichtlich seiner Entflammbarkeit unbedenklich. Aufgrund dieser Eigenschaften ist Hopfen besonders gut für die Herstellung von Dämmstoffen, Akustikplatten und Baupaneelen geeignet oder kann zur Verstärkung von tragenden Bauteilen eingesetzt werden.
Gründungsteam „HopfOn“ entwickelt Baustoffe aus Hopfen
Die Architekturstudentin Marlene Stechl und der Bauingenieurstudent Thomas Rojas Sonderegger, beide Absolventen der TUM, verwirklichten ihre Idee, die Pflanzenreste der Hopfenernte für die Herstellung von Bauprodukten zu nutzen, und gründeten das Unternehmen „HopfON“. Im Laufe der Zeit wuchs das Team, was es ermöglichte, das Potenzial des Hopfens disziplinübergreifend zu erforschen. Unterstützung erhielten sie von Architekturprofessor Niklas Fanelsa von der TU München, der seine Expertise einbrachte und Materialtests im Bioregional Design Lab der Universität ermöglichte. Bei der Hopfenernte in der Hallertau im Herbst 2023 sah sich das Team von HopfON erstmals mit mehreren Herausforderungen konfrontiert, die sie jedoch erfolgreich meisterten. Sie entwickelten eine effektive Methode zur Trennung der Hopfenreben von den Drähten, an denen die Pflanzen entlang ranken. Darüber hinaus etablierte das Team einen Prozess zur Rohstoffsicherung für das gesamte Jahr, da die Hopfenernte nur einmal jährlich stattfindet. In diesen Prozessen arbeiteten sie stets eng mit den lokalen Landwirt*innen zusammen. Ziel ist es noch in diesem Jahr mit einem ersten Produkt aus Hopfen, einem Akustikpaneel, auf den Markt zu gehen. Dabei verzichtet HopfOn bei der Baustoffentwicklung vollständig auf künstliche und schwer zu lösende Zusatzstoffe, anstatt dessen kommen biobasierte Bindemittel zum Einsatz, um ein kreislauffähiges Baumaterial zu schaffen, das nach seiner Lebensdauer einer neuen Nutzung zugeführt werden kann. Der entwickelte akustische Dämmstoff durchläuft derzeit den Praxistest im Sustainable Living Lab Mannheim. Dort wurden bereits akustische Messungen während simulierten Meetings durchgeführt, um ein akustisches Profil der Räume zu erstellen. Dieses Profil dient als Grundlage zur Bestimmung der erforderlichen Menge und optimalen Platzierung der Akustikpaneele. Die Paneele können an Wänden und Decken angebracht werden, um die Raumakustik durch das Brechen und Absorbieren von Schallwellen zu verbessern. Für ihre innovative Entwicklung gewann das Team diverse Preise, darunter die DGNB Sustainability Challenge in der Kategorie „Studentischer Sonderpreis.“
Weitere Entwicklungen und Ausblick
Parallel zu der Forschung und Baustoffentwicklung von HopfOn, gibt es eine Gruppe von Fachleuten, die eine flexible Dämmmatte entwickelt haben. Diese besteht zu 2/3 aus Hanf und zu 1/3 aus Hopfen. Das Produkt liegt mehreren Ministerien in Bayern vor und findet breite Zustimmung. Es bleibt abzuwarten, ob über die Weiterentwicklung ein erneutes Projekt seitens der bayerischen Landesregierung aufgelegt wird. Projektträger der Entwicklung für den neuen Dämmstoff war die LfL, die bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. Biobasierte Baumaterialien gewinnen zunehmend an Bedeutung für die Bauwende. In diesem Kontext könnte sich Hopfen, als lokal verfügbares Abfallprodukt, sowohl ökologisch als auch ökonomisch als fester Bestandteil der Palette nachhaltiger Baustoffe etablieren.