Innendämmung viel besser als ihr Ruf
Das Forschungsprojekt IN2EuroBuild des Instituts für Holztechnologie Dresden belegt die gute Eignung von Naturfaserdämmstoffen für die Innendämmung und gibt in zwei Anhängen praktische Anleitungen für die Gebäudeanalyse und deren optimale Innendämmung mit unterschiedlichen Materialien.
Die energetische Sanierung von Außenwänden ist unter mitteleuropäischen Klimabedingungen eine der wichtigsten Maßnahmen zur Senkung des Energiebedarfs im Gebäudebestand. Bei einigen Altbauten ist die Innendämmung die einzige Möglichkeit zur Dämmung der Außenwände, weil beispielsweise die Fassade besonders erhaltenswert ist bzw. unter Denkmalschutz steht oder weil sie nur schwer zugänglich ist. Wenn sich in einem Mehrfamilienhaus die Wohneigentümer nicht auf ein gemeinsames Modernisierungskonzept einigen können, ist eine Innendämmung eine gute Alternative zur energetischen Verbesserung des Gebäudes. Da bei einer Innendämmung im Gegensatz zu einer Außendämmung kein teures Gerüst aufgebaut werden muss, weist diese Maßnahme zudem ein hervorragendes Kosten-Nutzen-Verhältnis auf.
Innendämmungen müssen allerdings mit Sorgfalt geplant und ausgeführt werden, da sie das Risiko von Feuchtigkeitsproblemen wie Kondensation, Schimmelbildung oder Frostschäden erhöhen können. Bei guter Planung und Ausführung sind sie jedoch eine zuverlässige und bewährte Dämmmaßnahme, die für die meisten Anwendungen geeignet ist. Trotz vieler Forschungsprojekte, etablierter Systemlösungen und jahrzehntelanger positiver Erfahrungen wird die Technik im Vergleich zu ihrem Potenzial bislang allerdings nur verhalten eingesetzt. Manche Planer sind aufgrund der Vielzahl der verfügbaren Systeme, der bauphysikalischen Vorbehalte und der unterschiedlichen Wirkungsweisen unsicher in der Anwendung.
Praxisorientierte Planungshilfe wirkt gegen Vorbehalte
Hier setzt das Forschungsprojekt IN2EuroBuild "Konsistente europäische Richtlinien für die Innendämmung von Bestandsgebäuden und denkmalgeschützten Gebäuden" an, dessen Ergebnisse Ende vergangenen Jahres publiziert wurden. In dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsprojekt haben neben dem berichterstattenden Institut für Holztechnologie Dresden auch das Fraunhofer‐Institut für Bauphysik, Holzkirchen (IBP), die Technische Universität Dresden, Institut für Bauklimatik (TUD-IBK) sowie das Belgian Building Research Institute (BBRI) zusammengearbeitet. Ziel des Projektes war, auf dem Weg zu einer zuverlässigen und großflächigen Anwendung der Innendämmung klare und einfache Leitlinien für Baupraktiker zu erarbeiten und zwar von der Bestandsanalyse des Gebäudes über die Sanierungsplanung der Fassade, die Auswahl geeigneter Dämmsysteme und deren Nachweis bis hin zur Detailausführung.
Eine weitere Forschungsaufgabe lag in der Bewertung von Holz- und Naturfaserdämmstoffen. Die bisher verfügbaren Grenzwerte erschienen den Forschern im Vergleich zur Praxiserfahrung deutlich zu vorsichtig und schränkten den Einsatz im Vergleich zu Konkurrenzprodukten aus dem mineralischen Sektor wie beispielsweise Calciumsilikatplatten übermäßig ein. Hier sollte durch Labor- und Feldversuche gezeigt werden, dass einem breiteren Einsatz dieser Materialien nichts entgegensteht. Auch kapillaraktive Innendämmungen haben sich in der Praxis bereits lange bewährt. Allerdings erfordert ihre Bemessung bisher immer einen individuellen Nachweis. Eine Klassifizierung der Kombination der maßgeblichen Eigenschaften soll hier die Grundlagen für einen vereinfachten Nachweis schaffen, mit dem der Einsatz dieser Materialien in deren Kernanwendungsbereich deutlich einfacher möglich werden soll als bisher.
Der wichtigste Vorbehalt gegen eine Innendämmung hat mit der Bauphysik zu tun: Die Massivwand hinter ihr ist deutlich kühler und kann dadurch auch die an sie stoßenden Innenwände im Anschlussbereich stärker abkühlen. Dieses bauphysikalische Problem lässt sich mit einer sogenannten „Flankendämmung“ zwar wirksam lösen. Der schlechte Ruf, den die Innendämmung heute teilweise noch genießt, beruht allerdings vornehmlich aus der Erfahrung von Schimmelbildung hinter den Dämmplatten. Wenn zwischen Dämmplatte und Mauerwerk Hohlräume gelassen werden, können hier große Mengen Luftfeuchte abkühlen und kondensieren, was wiederum zu Schimmelwachstum führt. Um das zu vermeiden, müssen die Dämmplatten unbedingt vollflächig verklebt und eventuelle Durchdringungen luftdicht angeschlossen werden. Des Weiteren ist auch darauf zu achten, dass von außen nicht zu viel Feuchte in die Außenwand eindringt. Aber auch von innen darf natürlich durch Dampfdiffusion nicht zu viel Feuchte in die Außenwand eindringen.
Hier kommt es nun auf die sorptiven und kapillaraktiven Fähigkeiten des Dämmstoffs an. Sorptiv bedeutet, dass der Dämmstoff viel Feuchte aufnehmen, zwischenspeichern und wieder abgeben kann. Kapillaraktiv, dass er aufgenommene Feuchte weiterleiten kann. Weitergeleitet wird sie dorthin, wo es trockner ist: nach innen oder außen – je nach Witterung bzw. Luftfeuchte. Das bremst den Feuchteanstieg und kann ihn sogar vollständig kompensieren.
Eignung von Naturdämmstoffen
Dass Dämmstoffe aus Naturfasern und insbesondere Holzfaser-Dämmstoffe hohe ökologische und baubiologische Qualitäten aufweisen, ist nicht zuletzt ausweislich der natureplus-Zertifizierung vieler dieser Produkte bekannt. Einer erweiterten Nutzung der Materialien stehen jedoch bislang ihre vermeintlich oder tatsächlich hohe Empfindlichkeit gegenüber der Einwirkung von Feuchte und die mangelnden Kenntnisse zu deren Feuchtebeständigkeit entgegen. Das Forschungsprojekt IN2EuroBuild belegt jedoch ihre besondere Eignung als Innendämmung, aufgrund ihren sorptiven und kapillaraktiven Eigenschaften, mit denen sie auftretende Feuchtebelastungen zuverlässig in den Innenraum abführen. Der Bericht stellt fest, dass Holzfaser-Dämmstoffe „belegbar höhere Feuchteverhältnisse vertragen“, und plädiert deshalb dafür, ihre Anwendungsgrenzen zu erweitern. Denn die sorptiven und kapillaraktiven Fähigkeiten von Holzfaser-Dämmstoffen sind bei den Grenzwerten für die Nachweise bislang nicht ausreichend berücksichtigt. Holzfaser-Dämmstoffe vertragen wesentlich mehr Feuchte, als bislang anerkannt ist.
Aufgrund der durch IN2EuroBuild gewonnenen Erkenntnisse ist nun der Weg bereitet, das aktuelle vereinfachte Nachweisverfahren nach WTA-Merkblatt 6-4 „Innendämmung“ um kapillarwirksame Systeme wie z. B. mit Naturfaser-Dämmstoffen zu erweitern. Zudem gibt es mit IN2EuroBuild endlich einen europäischen Praxisleitfaden, der in seinem Teil 1 auch wissenschaftlich fundierte und praxistaugliche Grundlagen zur Analyse von Gebäudefassaden auch außerhalb von Deutschland bereitstellt. Damit lässt sich der Schlagregenschutz auch von anspruchsvollen Fassaden, wie z. B. solchen aus sichtbarem Klinkermauerwerk, gut einschätzen bzw. umsetzen.
Dem Praxisplaner wird somit durch die beiden Leitfäden ein umfassendes Paket an die Hand gegeben, das ihn von Anfang bis Ende durch die Innendämmmaßnahme leitet, die jeweils adäquate Vorgehensweise zu identifizieren hilft und bei Bedarf auch im Nachhinein zu verifizieren erlaubt. Die reich bebilderten Leitfäden sollen bis zu einem gewissen Grad auch Laien befähigen, den Zustand eines Gebäudes und die notwendigen Sanierungsmaßnahmen erfassen zu können.
Innendämmung ist förderfähig
Bei einer Außenwand aus 30 cm starken Hochlochziegeln und beidseitigem Kalkzementputz reicht eine Innendämmung mit einer 6 cm starken Holzfaser-Dämmplatte, um den U-Wert von 1,29 W/(m2K) auf 0,44 W/(m2K) zu verbessern. Damit unterschreitet sie den Mindest-U-Wert von 0,45 W/(m2K), der für eine „Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude“ (BEG) verlangt wird. Voraussetzung für eine Förderung ist allerdings auch, dass die Fassade besonders erhaltenswert ist und eine Außendämmung deswegen nicht in Frage kommt. Sind die beiden Voraussetzungen erfüllt, dann haben Bauleute die Wahl zwischen einem Investitionszuschuss vom BAFA in Höhe von 15 Prozent der Baukosten im Rahmen des BEG – bzw. in Höhe von 20 Prozent, wenn vorher ein sogenannter „individueller Sanierungsfahrplan“ (iSFP) erstellt wurde – und einem Steuernachlass in Höhe von 20 Prozent der Baukosten über den sogenannten „Steuerbonus“ nach § 35c EStG.