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Interessenvertretung

Kreislaufwirtschaftsstrategie veröffentlicht

Die Bundesregierung hat den Entwurf für eine nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) veröffentlicht. Das Netzwerk Ressourcenwende und der natureplus e.V. begrüßen diesen Vorstoß, kritisieren in ihren Stellungnahmen jedoch die fehlende Konkretisierung und rechtliche Absicherung sowie einen Zeitplan zur Umsetzung.

July 11, 2024

Das Bundesumweltministerium (BMUV) hat federführend in Umsetzung des Koalitionsvertrages am 18. Juni 2024 den Entwurf für eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) erarbeitet, um den Ressourcenverbrauch in Deutschland zu senken. In einem breit angelegten Dialogprozess hat das BMUV Ideen und Anregungen von Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Verbänden, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Verwaltung in die Erarbeitung des Strategieentwurfs einfließen lassen. Gerade die Bauwirtschaft wird mit dieser Strategie adressiert, denn sie ist nach wie vor der größte Verbraucher mineralischer Ressourcen. Mit der Veröffentlichung der Strategie hatten Akteure aus Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft bis zum 9. Juli die Möglichkeit, schriftliche Stellungnahmen zum Entwurf der NKWS abzugeben.

Stellungnahme des Netzwerk Ressourcenwende

In einer Stellungnahme des Netzwerk Ressourcenwende, einem Zusammenschluss von rund 120 zivilgesellschaftlichen Organisationen, die auch von natureplus unterzeichnet ist, wird der Entwurf der NKWS als "erster wichtiger Schritt hin zu einer ressourcenschonenden und sozial ausgleichenden Kreislaufwirtschaft in Deutschland" gewürdigt. Zugleich werden Forderungen erhoben, die "Maßnahmen zur Eindämmung des übermäßigen Rohstoffverbrauchs entlang des gesamten Produktlebenszyklus, zur Vermeidung des Ressourcenverbrauchs in der Produktion, für eine lange Nutzung und die Wiederverwendung von Gütern und Komponenten" eindeutig zu priorisieren und vor allem rasch in die Umsetzung zu bringen. Hierzu sei es nötig, einen gesetzlichen Rahmen in Form eines Ressourcenschutzgesetzes zu schaffen, in dem "sektor- und materialübergreifende Instrumente" zur Erreichung der genannten Ziele etabliert werden. Dazu sei ein Zusammenspiel aller beteiligten Bundesministerien erforderlich.

Im Einzelnen begrüßt das Netzwerk Ressourcenwende, dass im NKWS-Entwurf erstmals ein konkretes Reduktionsziel genannt wird, nämlich den inländischen Primärrohstoffverbrauch pro Kopf und Jahr (inklusive der dafür im Ausland notwendigen Vorketten) bis 2045 auf 8 Tonnen nahezu zu halbieren. Diese Verbrauchsmenge ist nach Einschätzung internationaler Organisationen mit den planetaren Grenzen vereinbar. Die Einführung eines so konkreten Reduktionsziels ist nach Ansicht des Netzwerks Ressourcenwende deshalb so wichtig, weil bisherige Maßnahmen im Rahmen der Transformation zur Kreislaufwirtschaft zwar die Rohstoffeffizienz erhöht, aber nicht den absoluten Primärrohstoffverbrauch gesenkt haben. Allerdings wird moniert, dass Zwischenziele fehlen und in der Erhebung der tatsächliche Materialaufwand nicht erfasst wird, weil ungenutzte Entnahmen, wie z.B. Abraum, nicht mitgezählt werden.

Positiv wird gesehen, dass die Erhöhung der Kreislaufmaterialeinsatzrate und die verstärkte Nutzung von Sekundärrohstoffen zu den zentralen Zielsetzungen der NKWS gehören. Allerdings würde die Verdoppelung der Nutzungsrate wiederverwendbarer Stoffe von derzeit 13 % auf 26 % lediglich dem im EU-Aktionsplan Kreislaufwirtschaft bereits für 2020 gesetzten Ziel entsprechen. Hier müsste also noch mehr für Quantität und Qualität der eingesetzten Sekundärrohstoffe getan werden, insbesondere auch um die Kreislaufführung von Schadstoffen im Recycling auszuschließen. Das Netzwerk drängt darauf, "die Nutzung biogener Stoffe stärker in die Handlungsfelder zu integrieren". Dabei müsse man aber darauf achten, "dass ökologische Krisen nicht verschärft werden und der aktuelle Rohstoffbedarf nicht durch biogene Alternativen gedeckt werden kann".

Zur Förderung der Abfallvermeidung müssten konkrete Maßnahmen ergriffen und klare Ziele formuliert werden. Recycling allein könne das Abfallaufkommen nicht entscheidend senken. Konkrete Maßnahmen und Zielvorgaben, welche die Wiederverwendung auf Produktebene und Mehrweg als wesentliche Strategien zur Einsparung von Ressourcen und Abfallvermeidung systemisch stärken, seien erforderlich. Für die einzelnen Handlungsfelder sieht der Entwurf der NKWS vor allem Maßnahmen zur Steigerung der Materialeffizienz, des Recyclings und zur Unterstützung zirkulärer Geschäftsmodelle sowie zur Förderung von Forschung und Innovationen vor. Diese Maßnahmen reichen aber nach Ansicht des Netzwerks Ressourcenwende nicht aus, um die Leitziele der NKWS zu erreichen. Darüber hinaus müssten in allen Handlungsfeldern "Maßnahmen zur Wiederverwendung, Langlebigkeit und Reparatur" ergänzt werden.

Zur Finanzierung dieser Transformation sieht die NKWS einige ökonomische Instrumente vor, um Anreize für kreislauforientiertes Produzieren und Konsumieren sowie für Investitionen in kreislauforientierte Technologien zu schaffen, insbesondere einen Rohstofffonds. Das Netzwerk Ressourcenwende fordert darüber hinaus eine Anpassung des Steuersystems, um die Finanzierung der dargestellten Maßnahmen zu unterstützen und zudem eine Lenkungswirkung im Sinne des zirkulären Wirtschaftens zu entfalten, einen Abbau von Subventionen für ressourcenintensive Praktiken, die auf jährlich 57 Milliarden Euro beziffert werden, sowie die Einführung von Herstellerabgaben im Rahmen einer umfassenden erweiterten Herstellerverantwortung. Wichtig ist dem Netzwerk, dass die finanziellen Belastungen sozial gerecht verteilt werden.

Künftig müsse nach Ansicht des Netzwerks Ressourcenwende die NKWS verbindlicher werden und klare Verantwortlichkeiten definieren. "Es müssen konkrete Maßnahmen festgelegt werden, um sicherzustellen, dass alle Akteur:innen ihren Beitrag zur Erreichung der Leitziele leisten. Es müssen auch Zwischenziele definiert werden, um den Fortschritt kontinuierlich überprüfen und gegebenenfalls nachsteuern zu können. Die bestehenden Ziele dürfen auf keinen Fall aufgeweicht werden." Der Strategieentwurf schlage noch keine Instrumente für eine verbindliche Umsetzung vor, diese Verbindlichkeit trage aber wesentlich zum Umsetzungserfolg bei. Deshalb hält das Netzwerk Ressourcenwende künftig ein Ressourcenschutzgesetz für erforderlich. Der Entwurf sieht hier lediglich eine Prüfung der gesetzlichen Grundlage vor, die Überarbeitung des Rechtsrahmens sollte jedoch bereits jetzt als zentrales Element in die NKWS aufgenommen werden.

Stellungnahme von natureplus zum NKWS-Entwurf im Wortlaut

Sehr geehrte Damen und Herren,

natureplus begrüßt die Vorlage des Entwurfs einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) der Bundesregierung und nimmt daher gerne die Gelegenheit wahr, zum vorgelegten Entwurf vom 17. Juni 2024 Stellung zu nehmen.

Den Entwurf einer Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) des Bundesumweltministeriums (BMU) sehen wir als einen ersten wichtigen Schritt hin zu einer ressourcenschonenden und sozial gerechten Kreislaufwirtschaft in Deutschland.

Wir teilen die Einschätzung des Gesamtzusammenhangs der vorgestellten Inhalte, wie sie in der von uns mitunterzeichneten Stellungnahme des Netzwerks Ressourcenwende dargelegt wird.

Zu den spezifischen Aspekten des Bau- und Gebäudebereichs möchten wir an dieser Stelle die folgenden ergänzenden Anmerkungen machen.

Die NKWS und der Bau- und Gebäudebereich – Stellungnahme von natureplus e.V.

Unbestritten ist, dass Bauabfälle derzeit mehr als die Hälfte des Abfallaufkommens ausmachen und auch mehr als 60 % des mineralischen Rohstoffverbrauchs auf den Bausektor entfallen. So heißt es in der NKWS: "584,6 Mio. t Gesteinskörnungen wurden in Deutschland im Jahr 2020 für die Bauindustrie produziert, davon 485 Mio. t auf Basis von mineralischen Primärrohstoffen – Tendenz steigend, verbunden mit erheblichen Eingriffen in die Natur - nur 13 % (77 Mio. t) der jährlich eingesetzten Gesteinskörnungen [werden] über Recyclingbaustoffe gedeckt."

Dem trägt die NKWS mit dem primären Ziel Rechnung, bei Gebäuden auf "klare Standards für Umbau, Sanierung und Neubau [zu] setzen, die zu einer langlebigen Nutzung führen und die Wiederverwendung von Bauteilen und das Recycling von Materialien erleichtern".

Aus diesem Grund sehen wir es jedoch kritisch, dass der Bau- und Gebäudebereich bei der Betrachtung der prioritären Handlungsfelder dennoch eher unter "ferner liefen" geführt wird, was seiner tatsächlichen Bedeutung nicht gerecht wird.

Im Kapitel 4.8 der NKWS wird die aktuelle Situation zutreffend beschrieben, dass

  • die Bestandserhaltung und Weiternutzung von Gebäuden und Infrastruktur derzeit keinen Vorrang vor rohstoff- und flächenintensivem Ersatzneubau hat,
  • aus dem vorhandenen Sekundärrohstofflager sortenreine Materialströme häufig nicht oder wenn nur mit hohem Aufwand bereitgestellt werden können,
  • i.d.R. keine ausreichenden Informationen über verbaute Materialien und Stoffe vorliegen,
  • die baurechtlichen Vorgaben noch nicht die Vorgaben des Abfallrechts zur getrennten Erfassung für eine hochwertige Verwertung der Bauabfälle unterstützen und
  • in den Ausschreibungen privater und öffentlicher Bauherren noch zu selten die Verwendung von Sekundärrohstoffen verlangt wird.

Wir bewerten es daher positiv, dass es erklärtes Ziel der Bundesregierung ist diese Hemmnisse im Rahmen der NKWS schnellstmöglich zu überwinden.

Somit befürworten wir auch die hierzu in der NKWS formulierten bis 2045 umzusetzenden Teilziele:

  • Schonung primärer Rohstoffe durch gesteigerten Einsatz von Sekundärrohstoffen.
  • Um- und Weiternutzung anstatt Abbruch und Ersatzneubau von Gebäuden.
  • Potentiale zur Schaffung von Wohn- und Gewerbeflächen im Gebäudebestand sollen durch Nachverdichtung, Aufstockung, Sanierung, Umbau und Nutzungsflexibilität ausgeschöpft werden.
  • Kreislaufgerechte und abfallarme Planung von Bauwerken sowie Wiederverwendung von Bauteilen, z.B. durch flächendeckende Anwendung des Gebäuderessourcenpass.

Als erste Schritte hin zu diesen Teilzielen benennt die NKWS eine Halbierung des Rohstofffußabdrucks (RMC) für mineralische Baustoffe bis 2045 sowie eine Steigerung des Einsatzes von Sekundärrohstoffen im öffentlichen Bausektor und die schrittweise Einführung von Mindestquoten für Sekundärrohstoffe in bestimmten Bereichen.

Bei diesen Zielvorgaben fehlen nach Auffassung von natureplus - ähnlich wie auch in der Stellungnahme des Netzwerks Ressourcenwende schon angeführt - die Benennung der rechtlichen Instrumente, mit denen dies erreicht werden soll, sowie die Formulierung der notwendigen Zwischenschritte mit entsprechenden Benchmarks und einem Monitoring.

Positiv bewertet natureplus die in der NKWS formulierten konkreten Maßnahmen zum Ressourcensparen im Baubereich, angefangen mit

  • der besseren Honorierung für Architekten und Ingenieure bei der Planung von Umbaumaßnahmen, über
  • die Einführung von Gebäude- und Wohnungsregistern zur Verbesserung der Datenlage,
  • die obligatorische Prüfung des Bestandserhalts vor Neubau,
  • die Entbürokratisierung von Bestandserweiterungen,
  • die Einführung eines digitalen Gebäuderessourcenpasses,
  • die Erleichterung des selektiven Rückbaus durch Modulbauweisen,
  • die Einführung einer Bauteilsichtungspflicht auf der Baustelle vor dem Abbruch bis hin zu
  • einer Deponieabgabe für verwertbare mineralische Bauabfälle und anderem mehr.

Auch hier fehlt allerdings, wie bereits dargestellt, ein konkreter Zeitplan mit Zwischenschritten für diese Teilziele.

Besonders kritisch ist diese mangelnde Konkretisierung beim Aufbau einer flächendeckenden Verwertungsinfrastruktur durch lokale Sekundärrohstoffzentren und regionale Baustoff- und Bauteilbörsen zu bewerten. Diese Infrastruktur ist für jede Kreislaufstrategie von entscheidender Bedeutung und wird sich erfahrungsgemäß nicht von selbst entwickeln, da es häufig an der Flächenverfügbarkeit und der Wirtschaftlichkeit entsprechender Aktivitäten mangelt.

Hinsichtlich der Erhöhung des Einsatzes von Sekundärbaustoffen verweist der NKWS lediglich auf die Beschaffungspraxis der öffentlichen Hand und auf "Gespräche" mit Unternehmen und Verbänden, entsprechende rechtliche und wirtschaftliche Instrumente fehlen. Deren Entwicklung sowie die Weiterentwicklung von Technologien für das Recycling und die Wiederverwendung von Baustoffen wird leider im Wesentlichen nur der Forschungsförderung zugeordnet, so als handele es sich um völliges technologisches Neuland. Unser bedingt positives Fazit lautet daher, dass die Bundesregierung mit dem NKWS zwar eine breite Palette von Wünschenswertem auflistet, sich aber noch nicht substantiell der Transformation in die Bauwirklichkeit stellt.

Aus Sicht von natureplus fehlt bei den dargestellten Zielen und Maßnahmen insbesondere ein Bekenntnis zum verstärkten Einsatz von Baustoffen aus nachhaltig erzeugten nachwachsenden Rohstoffen. Diese zeichnen sich nicht nur unter Klimagesichtspunkten als Kohlenstoffsenke, sondern auch unter Ressourcengesichtspunkten als besonders kreislauffähige Materialien mit vielen positiven Eigenschaften aus. Leider werden nachwachsende Rohstoffe im gesamten Kapitel zum Bau- und Gebäudebereich nur an einer Stelle erwähnt, nämlich mit dem Hinweis auf die Holzbaustrategie der Bundesregierung.

Bauprodukte aus Holz oder schnell nachwachsenden Rohstoffen wie Stroh, Hanf oder Bambus fallen zwar auch in den Bereich der allgemeinen Ressourcennutzung, sind aber bei nachhaltiger regionaler Gewinnung nicht mit dem gleichen unwiederbringlichen Ressourcenverbrauch und dauerhaften negativen Umweltfolgen verbunden. Zudem bringen sie viele positive Materialeigenschaften mit, wie z.B. geringes Gewicht bei hoher Festigkeit, die sie für ressourcenschonende Technologien qualifizieren.

Besonderes Augenmerk ist aus unserer Sicht darüber hinaus auf das weitere Vorgehen im Rahmen der geplanten Plattform Kreislaufwirtschaft und die Ausgestaltung der Roadmap 2030 zu legen. An einem regelmäßigen Austausch über die Fortschritte bei den Zielen (Monitoring) und Maßnahmen, weitere notwendige Schritte und die Anpassung konkreter Instrumente werden wir uns gerne weiterhin beteiligen.

Wir sehen insbesondere im Bau- und Gebäudebereich noch erhebliche Optimierungspotenziale und wünschen uns daher einen zügigen Start der geplanten Plattform zur konkreten Erarbeitung von Vorschlägen für einen verbindlichen Zeit- und Maßnahmenplan (Roadmap 2030).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Rolf Buschmann

Vorstandsvorsitzender

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Autor
Thomas Schmitz
Journalist, unabhängiger Berater für nachhaltiges Bauen, ehemaliger Geschäftsführer von natureplus.