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Abschlussdiskussion, Screenshot natureplus

Bauszene

Laubholz kann mehr als brennen

Beim 4. Charta-Dialog des Landwirtschaftsministeriums (BMEL) entspann sich eine lebhafte Debatte um das Thema Laubholz: Gibt es im Spannungsfeld zwischen eingeschränkter Verfügbarkeit und ökologischem Waldumbau Potentiale für seine nachhaltigere Verwertung?

December 2, 2022

„Laubholz kann als nachhaltiger Baustoff, zukunftsfähiger Werkstoff und als Alternative für viele erdölbasierte Produkte dienen“, so Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft auf der Fachveranstaltung „Natur – Nachhaltigkeit – Design“ in der Veranstaltungsreihe „Charta für Holz 2.0 im Dialog“ des BMEL. Derzeit bestehen 45% der Waldfläche in Deutschland aus Buche, Eiche und Co., durch den Waldumbau, der klimaverträglichere Baumarten fördert, werden die Laubholzflächen künftig noch mehr werden. Hierzu wolle die Bundesregierung durch ein 900 Mio. EUR schweres "Waldklimapaket" beitragen. Doch "heute werden Laubhölzer überwiegend energetisch genutzt," beklagte Özdemir, "die Zukunft muss aber der stofflichen Verwendung gelten." Mit dieser Aussage lag der Minister ganz im Tenor der Veranstaltung, die von mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Berlin und per Livestream verfolgt wurde, darunter auch natureplus. Kooperationspartner der Veranstaltung waren der Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) und der Rat für Formgebung.

Zielkonflikte bei der stofflichen Verwendung?

RNE Generalsekretär Marc-Oliver Pahl betonte in seinem Impulsvortrag den Zielkonflikt zwischen der Waldbewirtschaftung und dem Erhalt bzw. der Verbesserung der Biodiversität im Forst. Hierzu müsse der Dialog zwischen den verschiedenen Interessensgruppen gesucht werden. Wichtig sei es, zunächst eine nachhaltige Bewirtschaftung und anschließend die Produktion nachhaltiger Holzprodukte zu gewährleisten. Hierzu könnten Gütesiegel beitragen, aber auch die Nachfrage nach nachhaltigen und zirkulären Produkten durch die öffentliche Hand. Das geplante Vergabetransformationsgesetz des Wirtschaftsministeriums böte hierfür Anreize. Pahl wies auch auf den Deutschen Nachhaltigkeitskodex und die EU Corporate Sustainability Reporting Directive als Instrumente hin, um im ganzen Lebenszyklus der Produkte nachhaltige Lieferketten zu etablieren. Die RNE-Vernetzungsplattform "Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit" werde 2023 das Thema "Bauen" in den Mittelpunkt stellen.

Zirkularität mit Zukunft

Lutz Dietzold vom mitveranstaltenden Rat für Formgebung sah die Zirkularität der Produkte als wichtigste Design-Aufgabe der Gegenwart: Langlebigkeit und die Kaskadennutzung von Produkten sowie Zirkularität – das Prinzip, Produkte nach Nutzungsende als Rohstoff für neue Materialien oder Produkte so lange wie möglich im Stoffkreislauf zu halten – müssten vor der energetischen Verwertung von Laubholz stehen. Drei Unternehmen, deren Portfolio auf der Verwendung von Laubholz basiert, bekamen anschließend Gelegenheit, ihre Projekte vorzustellen: Sascha Kleczka, Systemdesigngestalter im Handwerk und Möbeltischler, setzt mit seiner Kasseler Möbelmanufaktur Fuchs & Habicht GmbH auf regionales Holz, kurze Wege, klimafreundliche Produktion, reparierbare und recylingfähige Möbel. Matthias Held von UPM Biochemicals stellt aus nachhaltig gewonnenem Buchenholz Biochemikalien als Alternative zu fossil basierten Rohstoffen her. Ende 2023 wird am Chemiestandort Leuna eine Bioraffinerie ihren Dienst aufnehmen, die beispielsweise Glykole für die Herstellung bis zu 70mal recyclebarer Flaschen liefert oder mit holzbasierten Füllstoffen – etwa als Farbpigment für Gummi – den bislang üblichen Einsatz von giftigem Industrieruß überflüssig macht.

Eingeschränkte Verfügbarkeit

Ralf Pollmeier, Geschäftsführer der Pollmeier Massivholz GmbH & Co. KG – das Unternehmen produziert Buchen-Furnierschichtholz – übernahm dabei ein wenig die Rolle der Kassandra: Er verwies auf den jahrzehntelangen Rückgang des stofflichen Inlandsverbrauchs an Laubschnittholz zwischen den 1960er und den 2000er Jahren. Für langlebige Produkte wären 1975 noch 2,5 Mio. Kubikmeter Laubholz verwendet worden, 2020 waren es nur noch knapp 0,6 Mio Kubikmeter. Zeitgleich sei die Verfeuerung als Scheitholz explodiert. Die deutsche Möbelindustrie sei als lohnkostenintensive Branche in diesem Zeitraum fast verschwunden bzw. nach Osteuropa abgewandert. Inzwischen seien Massivholzprodukte durch moderne, weitgehend digitalisierte und automatisierte Fertigungsverfahren wieder wettbewerbsfähig, dies erfordere aber gewaltige Investitionen. Und die „Trendwende Nachhaltigkeit“ mit dem Fokus auf CO2-Bindung habe die Laubholznachfrage ebenfalls angekurbelt. Dennoch sieht Pollmeier eine "natürliche Obergrenze" für die Laubholznutzung und warnte vor Engpässen in der Laubrundholzversorgung, die durch zunehmende Einschränkung der Waldbewirtschaftung entstehen: "Das Buchenholzeinschlagsmoratorium des Landes Hessen hat uns 50 % der Holzverfügbarkeit gekostet."

Wald ist mehr als Holzproduktion

Auch die Vertreterin des Waldbesitzerverbandes sah in den angekündigten Nutzungseinschränkungen eine Gefahr für die gewerblichen Waldbesitzer. Demgegenüber betonte Jörg-Andreas Kröger vom NABU die anderen Waldfunktionen neben der Holzproduktion, etwa zu Stabilisierung des Wasserhaushalts, als Kühlzelle und Frischluftmotor. Er sorgte sich: "Wie kriegen wir das Waldökosystem stabil angesichts von 500.000 Hektar Waldverlust durch die jüngsten Schadensfälle?" Auch Dr. Susanne Winter vom WWF betonte die Funktion der Waldökosysteme für die Biodiversität, Totholz mache den Wald insgesamt widerstandsfähiger. Dr. Markus Knauf nannte alarmierende Zahlen aus seinem 2018 abgeschlossenen Forschungsbericht zu Laubholz: Danach hatte sich die Laubholzentnahme für Brennholz bis 2018 verdreifacht und nach 2018 nochmals verdoppelt. Die wichtigste stoffliche Verwendung für Laubholz seien die Holzwerkstoffe wie Span- und Faserplatten v.a. als Dämmstoff, die anderen Verwendungen, etwa im Holzfensterbau, seien stark rückläufig - am Bau werde weiterhin v.a. Nadelholz verlangt. "Wir haben in Deutschland für Laubholz keine stoffliche Verwendung, deshalb wird so viel exportiert", sagte Knauf. Julia Möbus, Geschäftsführerin des Deutschen Säge- und Holzindustrieverbandes (DESH), verwies mit Blick auf den forcierten Waldumbau darauf, dass das Aufkommen von Laubholz im Wald in den kommenden 50 Jahren massiv steigen dürfte und forderte von der Politik "Planungssicherheit" für die Milliardeninvestitionen der Holzindustrie. 

Knappheit als Innovationstreiber

Da musste ihr Dr. Manuela Rottmann, Parlamentarische Staatsekretärin im BMEL, etwas die Hoffnung nehmen: "Planungssicherheit ist unter den aktuellen Umständen nicht zu erwarten, aber wir können gemeinsam lernen." Man müsse sich die "Suffizienzfrage" stellen und bedenken: "Wir kommen aus einer Situation der jahrzehntelangen Verschwendung heute in eine Situation der Knappheit." Und das könne, wie man in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen studieren kann, ein „wahnsinniger Innovationstreiber“ sein. „Bei der nachhaltigen Verwendung von Laubholz, beim Wechsel von der Wegwerf- zur Kreislaufwirtschaft“ sieht sie deshalb „mehr Lösungen als Verzweiflung“.

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