Mehr Transparenz durch Datenbanken?
„Datenbankgestützte Systeme zur Transparenz in der Lieferkette“ standen im Fokus der 3. AkteurInnenkonferenz im NaLiBau-Projekt am 05.12.2022.
Der Schwerpunkt der dritten AkteurInnenkonferenz im vom BBSR geförderten Projekt "Nachhaltigkeit durch Transparenz in der Lieferkette Bau", kurz NaLiBau-Projekt, lag auf bestehenden und etablierten digitalen Anwendungen zur Rückverfolgung und Risikoerfassung von Stoffströmen. Durch ausführliche Impulsreferate vorgestellt wurden die beiden Systeme Circulor und Sustainabill. Anschließend fand eine Diskussion in Arbeitsgruppen statt.
Tracking von Risikomaterialien durch die Erschaffung eines digitalen Zwillings
Luise Müller-Hofstede stellte das Lieferkettentransparenz-Tool Circulor vor. Es ist aus einer Brancheninitiative der Automobilindustrie entstanden und soll ein Materialtracking von der Mine bis zum End of Life für bestimmte relevante Materialien der automobilen Lieferkette, aber auch für Solarindustrie, Batterieproduktion und verwandte Branchen gewährleisten, v.a. betreffend Hochrisiko-Rohstoffen wie Kobalt, Mica (Glimmer), Graphit, Lithium, Kupfer, Nickel, Mangan, aber auch für Stahl und Aluminium. Derzeit steht ein Batteriepass im Mittelpunkt der Aktivitäten. Die Vorgehensweise besteht in der Erschaffung eines “digitalen Zwillings” des Materials, der dann über die Lieferkette verfolgt (getrackt) wird. Die Eingaben erfolgen durch die beteiligten Firmen, sie werden zentral nur auf Plausibilität überprüft. Insgesamt ist dieser Tracking-Prozess extrem aufwändig und wird deshalb nur für Risiko-Material aktuell durchgeführt. Neben dem Thema Risiko/Compliance werden noch die CO2-Emissionen erfasst. Bedingung und Voraussetzung ist aber immer ein vollständiger Datenschutz: “Wer nicht die Sicherheit hat, dass seine Daten geschützt sind, wird sie nicht bereitstellen.” Dieses geschützte Datenbank-System ist damit komplett intransparent. Dass das System dennoch nicht manipuliert werden kann, dafür sorgt eine Blockchain-Technologie, wodurch die Daten unveränderbar gemacht werden. Außerdem laufen Inspektion und Auditierung komplett separat, um Einflussnahme zu verhindern.
Plattform zur Unterstützung von Einkaufsprozessen
Das zweite Impulsreferat kam von Klaus Wiesen von Sustainabill. Das ist keine Datenbank, sondern eine digitale Plattform, um nachhaltige Beschaffung zu ermöglichen. Aktiv ist Sustainabill zuerst in der Fahrradindustrie, weitet das gerade auf Foodlieferanten und den Handel aus. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass neue Anforderungen wie CSRD-Berichterstattungspflichten auf vollkommen unvorbereitete Einkaufsabteilungen treffen. Das modulare Sustainabill-System soll es nun erleichtern, die potentiellen Risiken proaktiv anzugehen. Dadurch werden einmal initial gespeicherte Daten für wiederkehrende Abfragen digital gespeichert. Mit Hilfe von KI (künstlicher Intelligenz) werden alle Lieferanten einem automatisierten Risiko-Abgleich unterzogen und die Risiken ebenfalls automatisch rot-gelb-grün kategorisiert. So kann man die Transparenz mittels einer Kombination von klassischen und Graph-Datenbanken auf die Vorlieferkette erweitern. Auch Dokumentation und Reporting erfolgen automatisiert und datenbankgestützt. Dadurch können die Firmen den vom LkSG geforderten Sorgfaltsnachweis problemlos erbringen. Allerdings erfolgt kein Benchmarking und Sustainabill ist kein validiertes Label. Es untersucht lediglich die bekannten Risiken bestimmter Warengruppen. Die Absicherung der Aussagen erfolgt einerseits über eine Plausibilitätsprüfung der Angaben, andererseits über die Vertragsgestaltung, den so genannten “Lieferanten-Kodex”. Er beinhaltet Vertragsstrafen, wenn falsche Daten angegeben werden oder keine Auskunft erteilt wird.
Weitere digitale Angebote
Es folgte ein Kurzreferat von Anna-Katharina Ullmann, die die kostenfreien Angebote des Helpdesk Wirtschaft und Menschenrechte vorstellte, u.a. den KMU-Kompass als Standards-Tool sowie den CSR-Risikocheck und den Praxislotsen Wirtschaft und Menschenrechte. Diese niederschwelligen Angebote richten sich vor allem an KMUs und sollen dort die Bereitschaft erhöhen, sich auf die künftigen Anfragen im Zusammenhang mit dem LkSG vorzubereiten.
Das BBSR stellte die Datenbanken WECOBIS und Ökobaudat vor. Beide kämen als Anwendungsbereich für das im Projekt vorgesehene Mapping-Tool in Frage. WECOBIS ist bereits in Bezug auf Ausschreibungen (der öffentlichen Hand) hin konzipiert, hier finden sich auch Bezüge auf Umweltzeichen zur Erfüllung bestimmter Anforderungen. Ökobaudat enthält EPD-Daten zur Berechnung der Gebäudeökobilanz, die Daten sind zu 1/3 generisch (wiss. Forschung) und zu 2/3 Industriedaten. Zukünftig soll bei der Ökobaudat auch der Rohstoffaufwand vermerkt werden. Darüber werden dann erstmals Stoffflüsse hinterlegt, die mit sozialen Kriterien verknüpft werden könnten. So könnten hier auch Informationen aus anderen Datenbanken verknüpft werden. Als Problem wird die Intransparenz bei der Erstellung von EPDs gesehen. Die öffentliche Hand brauche aber mehr Transparenz, um ihre Ziele in der Beschaffung zu erreichen. Außerdem müssten die eingegebenen Informationen von unabhängigen Dritten überprüft sein.
In der Diskussion wird die Datenbank EcoVadis mit ihrem "lieferkettenaffinen" Ansatz eingebracht. EcoVadis erstellt ein automatisiertes, KI-gestütztes Rating von Lieferkettenrisiken in Bezug auf selbst aufgestellte Nachhaltigkeitsindikatoren. In der Diskussion wird allerdings dagegen eingewandt, die KI-Bewertung von Lieferkettenrisiken sei nicht nachvollziehbar und die Verifizierung dieser Ratings scheint nicht ausreichend. EcoVadis vermische Rating, Dienstleistungen und Beratung in seinem Angebot und könne damit im Sinne der Unparteilichkeit (EN 17065) nicht als Prüfstelle gelten. Weitere produktspezifische Datenbanken mit Aussagen zur Lieferkette werden angeboten von Fairstone, Holz-von-Hier und natureplus. Fairstone (anonymisierte Dateneingabe) und “Holz von Hier” (CO2-Fußabdruck der Transporte) stellten die Vorteile ihrer Datenbanken vor. Die Infos über die Lieferkette werden aber bestenfalls dem Anbieter (Fairstone) transparent gemacht, nicht aber Dritten wie z.B. ausschreibenden Stellen.
Ergebnisse der Diskussion in Arbeitsgruppen
Insgesamt wird die Anwendbarkeit der vorgestellten Systeme für den Bausektor kritisch gesehen. Es gebe keine digitalen Datenbanken, die systematisch und produktbezogen Lieferkettenrisiken im Sinne des Forschungsprojekts NaLiBau erfassen. Insbesondere die KMUs sehen sich durch die Komplexität der Anwendung überfordert, allenfalls auf Verbandsebene sei eine Lösung denkbar. Für die KMU ist eine umfassende Berichtspflicht eigentlich kaum leistbar. Es müsste für sie eine einfache Checkliste geben, die auch flexibel auf wechselnde Lieferanten anzuwenden ist. Transparenz sei auch abhängig von der Zahl und Marktmacht der Akteure.
Ebenfalls deutlich wird, dass es derzeit einen Bewusstseinswandel in diesem Feld gibt: Lieferkettenbetrachtungen wurden von den Firmen bislang aus der Perspektive des unternehmerischen Risikos vorgenommen. Dabei standen Ausfallrisiken und Produktionssicherheit an erster Stelle, hierauf fokussieren auch eine Reihe etablierter Systeme. Der Fokus auf die Themen Klimaschutz, Menschenrechte, Umweltschutz und Gesundheit ist noch relativ neu und auch in Vorreiter-Branchen wie der Auto-Industrie noch nicht vollumfänglich umgesetzt.
Als größte Hürden zur Einführung eines Plattform-Instruments werden die eingeschränkte Kooperationsbereitschaft der Unternehmen und die Unterschiedlichkeit der Lieferkettenstrukturen in den verschiedenen Sektoren der Baubranche genannt. Im Spannungsfeld zwischen dem berechtigten Interesse der Herstellerseite auf Wahrung seiner Betriebsgeheimnisse einerseits und der Herstellung der nötigen Transparenz für die Verbraucherseite bzw. die öffentliche Hand bezüglich möglicher kritischer Punkte in der Lieferkette andererseits zeigt die Erfahrung aller bestehender Systeme, dass die Firmen nicht bereit sind, ein System mitzutragen, das Dritten erlaubt, in die Lieferkette Einblick zu nehmen.
Als erwünschte Funktionen von Datenbanken zur Transparenz in der Lieferkette Bau wurden genannt:
- Handhabbarkeit für Ausschreibungen der Öffentlichen Hand
- Fester Rahmen für eine Deklaration, der eine Vergleichbarkeit ermöglicht
- Unabhängige Kontrolle bzw. externe Verifizierung
- Möglichkeit der Hervorhebung von Regionalität und Zirkularität von Materialien
Zu letztem Punkt wurde angemerkt, dass lokal/regional gewonnenes Material nicht immer die bessere Alternative ist. Es gibt auch lokale Probleme (Beispiel Gipsabbau, Sandgewinnung), auf die man zum Ressourcenschutz mit einer Verstärkung der zirkulären Wirtschaft reagiert. Sekundärrohstoffe haben allerdings auch Probleme mit potentieller Kontamination. Durch Recycling wird eine Lieferkette auch definitiv unterbrochen bzw. neu begründet, da stellen sich völlig neue Probleme. Zum Abschluss wurde die Wichtigkeit eines Branchendialogs erneut hervorgehoben. Zudem müssten Standards für Prüfstellen erarbeitet werden, nach dem Motto: Wer kontrolliert die Kontrolleure?
Dieses Projekt wird gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen aus Mitteln der Zukunft Bau Forschungsförderung.