Bauszene

Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie

Das EU-Parlament hat im März 2023 eine ambitionierte Position zur EPBD beschlossen, nun folgen Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten im Europäischen Rat.

June 5, 2023

Die EU arbeitet seit 2021 an einer Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD). Das Herzstück und sicherlich auch der umstrittenste Punkt in der überarbeiteten EPBD ist die Verankerung EU-weiter Mindesteffizienzstandards für den Gebäudebestand (auf Englisch Minimum Energy Performance Standards, kurz MEPS). Zunächst sollen mit diesem Instrument gezielt die Gebäude mit den höchsten Energieverbräuchen (Worst Performing Buildings, WPB) angegangen werden. Hierzu soll der europäische Gebäudebestand in ein EU-weit harmonisiertes System von Energieeffizienzklassen eingeordnet werden, deren Skala sich von A bis G aufspannt. "Die Energieeffizienzklasse G entspricht den 15 % der Gebäude mit den schlechtesten Werten im Gebäudebestand eines Mitgliedstaats", erklärt das Öko-Zentrum NRW, das bedeutet, die Mitgliedsstaaten definieren ihren WPB-Bestand selbst. Zur Einordnung in deutsche Verhältnisse schreibt die Bundesarchitektenkammer (BAK): "Ein Gebäude der schlechtesten Klasse G benötigt ca. achtmal mehr Energie als eines der besten Klasse A."

Für Immobilieneigentümer, deren Gebäude den beiden schlechtesten Effizienzklassen dieser EU-weit noch einzuführenden Skala, d.h. F und G, zugeordnet sind, bedeutet dies eine große Umstellung, da sie gemäß dem Kommissionsvorschlag ihr Gebäude bis spätestens 2033 renoviert haben müssen, unabhängig davon, ob es sich um ein öffentliches oder privates Gebäude, ein Wohngebäude oder ein Nichtwohngebäude handelt, und ob es vermietet ist oder nicht. "Dies ist ein Paradigmenwechsel", stellte die Bundesarchitektenkammer (BAK) in einer Stellungnahme 2022 fest. "Es ist das erste Mal, dass die EU so weit geht und eine direkte Verpflichtung für EU-Bürger und Unternehmen festlegt, ihre Gebäude energetisch zu sanieren."

Was das Parlament nun beschlossen hat

Das europäische Parlament hat nun in seiner Sitzung am 14.3.2023 in erster Lesung eine ehrgeizige Position beschlossen, wie das Öko-Zentrum NRW berichtet. Nach den beschlossenen Änderungswünschen des Parlaments sollen Neubauten ab 2028 emissionsfrei sein. Für Neubauten, die Behörden nutzen, betreiben oder besitzen, soll das schon ab 2026 gelten. Außerdem sollen alle Neubauten bis 2028 mit Solaranlagen ausgestattet werden, sofern dies technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist. Bei Wohngebäuden, bei denen größere Renovierungen nötig sind, bleibt dafür bis 2032 Zeit.

Zudem sprach sich das EU-Parlament für schnellere und weitgehende Sanierungsverpflichtungen für Gebäude aus: So müssen Wohngebäude dem Vorschlag zufolge schon bis 2030 mindestens Klasse E und bis 2033 Klasse D erreichen. Gleichzeitig wurde beschlossen, die Sanierungspflichten mit Förderprogrammen und umfangreichen Ausnahmeregelungen zu flankieren. "Dies entspricht einer Sanierungsrate von 45 % aller Wohngebäude in Deutschland; auch in Europa müsste fast die Hälfte aller Gebäude saniert werden – und das innerhalb von nur neun Jahren!" stöhnt das Forum für Zukunftsenergien. Nichtwohngebäude und öffentliche Gebäude müssen nach dem Parlamentsbeschluss diese Energieeffizienzklassen bis 2027 bzw. bis 2030 erreichen. Für die nun folgenden Verhandlungen mit dem Europäischen Rat über die endgültige Form der Gebäuderichtlinie zeichnet sich schon ab, dass die Mitgliedsstaaten eine kräftige Bremse gegenüber dem Parlamentsentwurf einbauen werden.

Kritik der Verbände

Unmittelbar nach dem Beschluss stellten die betroffenen Branchenverbände die Finanzierung und die Sozialverträglichkeit der EPBD sowie die verfügbaren Handwerkskapazitäten infrage. Seitens einiger Bauherrenverbände wurde die Kritik geäußert, dass die geforderten Standards für viele bestehende Gebäude nicht erreichbar seien, dass eine Sanierung in diesen Fällen keine Option sei und stattdessen Abriss und Ersatzneubau drohten. Dies wäre für den Klima- und Ressourcenschutz absolut kontraproduktiv. Der Sorge vor einer drohenden Abrisswelle tritt allerdings die BAK entgegen. Sie ist davon überzeugt, dass für die Mehrzahl der Bauten wirtschaftliche Lösungen gefunden werden können. Durch den Einsatz von Robotik oder serielle Modernisierungen werde es in Zukunft zu einer Erhöhung der Produktivität und damit zu einer Senkung der Preise auf den Modernisierungsbaustellen kommen.

Aus Sicht von natureplus ist bemerkenswert, dass im Entwurf der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) durchgängig ein ganzheitlicher Ansatz im Sinne einer Lebenszyklusbetrachtung zu beobachten ist, der auch die Energieaufwände für Bau und Unterhaltung der Gebäude einschließt, und dass auch die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle in dem EPBD-Entwurf spielt. Dadurch sind im Grundsatz die Hebel genannt, mit denen eine Abrisswelle vermieden werden kann. Außerdem anerkennt natureplus, dass durch die Intervention des EU-Parlaments einige wichtige Punkte neu in den Kommissionsentwurf hineinverhandelt wurden, insbesondere ein integrierter Quartiersansatz, der Verweis auf das Neue Europäische Bauhaus, die Solarpflicht und erstmals ein Bezug auf die Raumklimaqualität.

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