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Symbolbild Planung, Quelle: natureplus

Baupolitik in Deutschland

Praxisleitfaden für Typ E

Das Bauministerium hat eine "Leitlinie und Prozessempfehlung" für das einfache und kostengünstige Bauen (Gebäudetyp E) vorgelegt. Damit können alle Baubeteiligten rechtssicher auf kostenintensive Standards verzichten und neue Spielräume für innovatives Planen und Bauen eröffnen.

August 12, 2024

Beim Bauen sind die sogenannten "allgemein anerkannten Regeln der Technik" (aRdT) vertragsrechtlich relevant. Damit sind alle Regeln gemeint, die unter Branchenfachleuten als technisch geeignet, angemessen und notwendig erachtet werden. Die Rechtsprechung tendiert dazu, eine mangelhafte Leistung anzunehmen, wenn nicht alle aRdT berücksichtigt wurden. Das hat in der Praxis dazu geführt, dass Bauvorhaben meist so ausgeführt werden, dass sie allen bautechnischen Normen entsprechen, auch jenen, die nur dem Komfort dienen. Dadurch wurden Neubau und Sanierung von Wohnungen unnötig kompliziert und teuer. Durch die geplante Einführung eines "Gebäudetyp E" (E wie einfach und experimentell) in das Bau- und Vertragsrecht soll jetzt nach dem Willen der Bundesregierung eine rechtliche Grundlage geschaffen werden, um von diesen aRdT in bestimmten Fällen abweichen und einfacher und kostengünstiger bauen zu können.

Wie der Gebäudetyp E schon heute umgesetzt werden kann

Es waren die Verbände der planenden Berufe (Bundesarchitektenkammer, Bundesingenieurkammer) auf deren Initiative der Gebäudetyp E zurückgeht (wir berichteten im Dezember 2023). "Durch die Möglichkeit, mit der Einführung des Gebäudetyp E auf nicht notwendige Standards zu verzichten, können Bau- und Sanierungsprozesse nicht nur beschleunigt, sondern auch kostengünstiger und ressourcenschonender gestaltet werden. Dies trägt wesentlich zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und zur Förderung innovativer Bauprojekte bei" begründet Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, ihren Vorstoß. Und Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer, ergänzt: "Ingenieurinnen und Ingenieure brauchen Freiheit zum Denken und Handeln."

Bis zur geplanten Änderung des Bauvertragsrechts (s.u.) kann auch heute schon durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen zwischen der Bauherrschaft und den planenden und ausführenden Betrieben kreativer und kostengünstiger geplant und gebaut werden. Dazu hat das Bauministerium (BMWSB) eine umfassende "Leitlinie und Prozessempfehlung Gebäudetyp E" erarbeitet (siehe Anhang). Sie soll Bauherrinnen und Akteure der Planungs- und Baubranche bei der Anwendung des "einfachen Bauens" unterstützen. Im Detail zeigt die Leitlinie, wie zwischen Planenden/Bauunternehmen und der Bauherrschaft eine rechtssichere Abweichung von den aRdT vereinbart werden kann. Sie erläutert auch die Aufklärungspflicht der Bauprofis und gibt anhand einiger Planungsbeispiele exemplarische Aufklärungsinhalte und Vertragsformulierungen an die Hand. Denn es muss immer im Einzelfall nachweisbar sein, dass die Bauherrschaft über die Konsequenzen einer Abweichung von den aRdT informiert wurde und dieser aktiv zugestimmt hat. Entstanden ist so ein über 70-seitiges Praxisdokument, das hilfreiche Hinweise von der Betonzwischendecke bis zur Steckdose gibt. Damit kann das "einfache Bauen" in der Praxis rechtssicher umgesetzt werden.

Vertragsformulierungen und Praxisbeispiele

Besonders wertvoll ist der Leitfaden durch die konkreten Hinweise, wie Vereinbarungen für Architekten- und Bauverträge formuliert werden können, und durch die zahlreichen Praxisbeispiele. Diese sind sehr konkret formuliert und mit technischen Zeichnungen versehen und betreffen sowohl den Neubau als auch den Sanierungsbereich. So ist beispielsweise bei einem kleinen Badezimmer die Fläche oft nicht ausreichend, um mit einer Niedertemperatur-Fußbodenheizung die 24°C Raumtemperatur dauerhaft zu halten, welche die aRdT für Badezimmer vorgeben, und es muss eine zusätzliche Wärmequelle, etwa ein Handtuchwärmer, eingebaut werden. Durch eine Vereinbarung, dass die Bauherrschaft auf die 24°C-Garantie verzichtet, kann diese Investition unterbleiben.

Ein anderes Beispiel betrifft die Anzahl der Steckdosen und zugehörigen Leitungen: In einer durchschnittlichen Dreizimmerwohnung sind derzeit 47 Steckdosen vorgesehen. Die Anzahl könnte aber je nach konkretem Bedarf um bis zu 50% reduziert werden. Hier ermöglicht eine sorgfältige und bedarfsgerechte Planung, dass die geringere Anzahl an Steckdosen so positioniert werden, dass eine optimale Stromversorgung der Wohnung dennoch gewährleistet bleibt.

Ein weiteres Beispiel aus der Sanierung: Um eine alte Holzbalkendecke schallschutztechnisch auf den aktuellen Stand zu bringen, müssen zusätzliche Trennlagen und andere Aufbauten vorgesehen werden, die unter ungünstigen Umständen zu einer Anhebung des Fußbodens um bis zu 19 cm führen können. Dadurch passen aber alle Anschlüsse, Türen, Fenster, Geländer usw. nicht mehr, die Raumhöhe wird zu gering, Absturzsicherungen müssen angebracht werden. Durch einen Verzicht auf optimalen Schallschutz, der im selbst genutzten Haus ohnehin obsolet ist, kann bei einer technisch einwandfreien Sanierung der Holzbalkendecke der zusätzliche Aufbau auf 2 cm reduziert werden.

Gesetzliche Regelung geplant

Um den Gebäudetyp E auch gesetzlich zu stärken, hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des BGB erarbeitet. Mit dem "Gebäudetyp-E-Gesetz" soll das Werk-/Bauvertragsrecht angepasst werden. Ein Ziel ist, dass bei Projekten zwischen fachkundigen Vertragspartnern auch ohne Aufklärung von den aRdT abgewichen werden kann. Der Gesetzentwurf soll im Herbst 2024 im Kabinett beschlossen werden. Mit Inkrafttreten des Gesetzes ist ab Anfang 2025 zu rechnen.

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Autor
Thomas Schmitz
Journalist, unabhängiger Berater für nachhaltiges Bauen, ehemaliger Geschäftsführer von natureplus.