Probleme der "globalen Werkbank"
Die staatlichen Aktivitäten für Lieferkettengesetze in Deutschland und Europa standen im Mittelpunkt der zweiten Akteurinnenkonferenz im NaLiBau-Projekt, das mehr "Nachhaltigkeit durch Transparenz in der Lieferkette Bau" erreichen will.
Auf dem 2. Akteurinnentreffen im vom BBSR geförderten ZukunftBau-Projekt "Nachhaltige Lieferkette Bau" (NaLiBau) von natureplus ging es den Teilnehmern aus Verwaltungen, Industrie und Zivilgesellschaft um die Bedeutung staatlicher Regelungen und Instrumente zum Ausschluss von Umweltproblemen und sozialen Risiken in der Lieferkette im Bausektor. Im Mittelpunkt stand das deutsche Lieferketten-Sorgfalts-Gesetz (LkSG) und die kritische Beschäftigung damit sowie dessen Anwendbarkeit im Bausektor. Deutlich wurde, dass diese gesetzlichen Bestimmungen einen großen Fortschritt ausmachen, weil in der Vergangenheit freiwillige Regelungen wenig Erfolg hatten. Gleichwohl gilt der Bausektor an sich nicht als kritischer Bereich, der Geltungsbereich des Gesetzes, das zunächst nur für Großunternehmen gilt, scheint ebenfalls am Bausektor vorbeizugehen. Dennoch gibt es viele kleine und mittelständische Unternehmen, die sich schon heute diesen Fragen stellen und eine kritische Auseinandersetzung mit ihren Lieferketten führen wollen. Zur Zeit ist die Verunsicherung groß, wie dies praktisch gehen soll, deshalb wird ein praxisgerechtes Tool gewünscht, das ihnen hilft, möglicherweise kritische Bereiche bei ihren Lieferanten zu identifizieren.
Im Eingangsreferat schilderte Benjamin Zasche von der Nationalen Kontaktstelle OECD-Grundsätze im zuständigen Bundesministerium BMWK die derzeitige rechtliche Regelung in Deutschland durch das LkSG und gab einen Ausblick auf die geplanten EU-Bestimmungen. Wichtig war ihm zu unterstreichen, dass alle hierin geforderten Auskünfte abschließend auf international abgestimmte OECD-Vereinbarungen Bezug nehmen. Diese beziehen sich in erster Linie auf menschenrechtliche Verstöße, die im Gesetz als mögliche Risiken konkret beschrieben sind, um mögliche Grenzbereiche auszuleuchten. Hinsichtlich der Umweltschutzanforderungen sind lediglich 3 Themenbereiche definiert, die auf OECD-Abkommen basieren, welche zugleich auch menschenrechtliche Fragestellungen thematisieren: Quecksilber, POP-Umweltgifte und die Müllentsorgung. Die Pflichten nach dem LkSG sind in erster Linie "Bemühenspflichten", der Betrieb muss also nachweisen, dass er sich nach Kräften bemüht hat, Risiken zu identifizieren, zu minimieren und abzustellen. Ein Erfolg dieser Bemühungen wird lediglich geschuldet, wenn eine Verletzung der OECD-Grundsätze zweifelsfrei festgestellt wurde. Mit dieser Regelung komme man insbesondere den KMU entgegen, die über geringere Einflussmöglichkeiten verfügen. Kontrolliert wird das Ganze über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das auch über Sanktionsmöglichkeiten verfügt.
Im zweiten Impulsvortrag gab Dr. Klaus Schilder, Referent Verantwortliches Wirtschaften im Bischöflichen Hilfswerk Misereor, einer der zivilgesellschaftlichen Initiativen, die gesetzliche Regelungen seit langem fordern, einen Überblick über die Punkte, die gegenwärtig aus Sicht der Initiativen dem Erfolg der Lieferketten-Gesetze noch entgegenstehen. Hier sah er in erster Linie das BAFA kritisch, das gegenwärtig schon allein personell und kompetenzmäßig noch gar nicht in der Lage sei, die geforderte Kontrollarbeit zu leisten. Auch hält er das geplante EU-Lieferkettengesetz, dessen erster Entwurf gerade in den Ausschüssen und mit den Interessengruppen diskutiert wird, für viel besser geeignet als die deutsche Regelung, weil beispielsweise mehr Betriebe davon erfasst werden, die Anforderungen weiter gefasst seien und die Sanktionsmöglichkeiten stärker sind. Er hob besonders hervor, dass im EU-Entwurf auch dem Umweltschutz stärker Rechnung getragen werde, die Betriebe beispielsweise Klimaschutzpläne zur Erreichung des 1,5° Ziels vorlegen müssten. Im Bausektor sah er potentiell viele kritische Bereiche, die insbesondere mit Anstellungsbedingungen und Arbeitsschutz verbunden sind, etwa im Fall der illegalen Beschäftigung.
In drei parallelen Arbeitsgruppen beschäftigten sich die Teilnehmer*innen dann mit den Fragen
- Inwieweit wirken sich die LK-Gesetze auf die Bauwirtschaft aus?
- Verifikationsinstrumente: Mindestanforderungen, Schwachstellen und Durchführungshemmnisse
- Welcher Umgang ist mit kritischen Regionen und politischen Framings angezeigt?
Hier wurde deutlich, dass es im überwiegend von Klein- und mittelständischen Unternehmen geprägten Bausektor besonders wichtig ist, eine Hilfestellung in Form von Checklisten u.ä. an die Hand zu bekommen, welche helfen kann, mögliche Risiken zu identifizieren. Ein Branchendialog, wie er beispielsweise in der Automobilindustrie wichtige Grundlagen für ein Verständnis und eine adäquate Behandlung der Probleme gelegt hat, wäre gerade in der sehr heterogenen Baustoffindustrie, die es zudem mit großer Materialvielfalt zu tun hat, sehr wichtig. Solche Instrumente sind auch deshalb notwendig, weil die herkömmlichen CSR-Erklärungen nicht als ausreichend angesehen werden, die Lieferkette zu durchleuchten. Es fehlt auch an frei zugänglichen Datenbanken, die bei der Eingrenzung von Risikomaterialien helfen könnten.
Ein anderer Aspekt betraf die Materialien, die man sinnvollerweise in den Fokus nehmen sollte. Es stellte sich heraus, dass beispielsweise alle petrochemischen Produkte auch von bestehenden Zertifizierungssystemen ausgeklammert werden, weil hier beim besten Willen keine Transparenz in die Lieferkette zu bringen ist. Wie kritische Regionen zu definieren sind und wie stark eine solche Bewertung als kritisch auch kurzfristigen Schwankungen unterliegt, wird aktuell durch die Situation in der Ukraine offensichtlich. Deshalb fanden sich auch Stimmen, die gegenüber einem starren Ranking von Staaten und Regionen eine konkrete Analyse der Situation vor Ort bevorzugen. Doch wie soll diese von einzelnen Unternehmen geleistet werden? Die aktuelle Weltlage macht die Lieferkettenproblematik immerhin für eine breite Öffentlichkeit zum Thema. Es mehren sich die Bestrebungen, statt an einer "globalen Werkbank" wieder mehr regional zu produzieren.
Dieses Projekt wird gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen aus Mitteln der Zukunft Bau Forschungsförderung.