Trendwende am Bau?
Aus der Haushaltskrise des Bundes sind die staatlichen Förderprogramme für den Bausektor erstaunlich gut herausgekommen. Zugleich versprechen stabile Zinsen und sinkende Immobilienpreise eine größere Zahl an Sanierungen.
Das Öko-Zentrum NRW spricht von einer "Achterbahnfahrt", die der Bausektor und insbesondere auch der Wohnungsbau in Deutschland in den letzten Monaten hinzunehmen hatte. Das hatte sowohl mit Marktmechanismen zu tun, als auch mit der erratischen Förderpolitik des Staates. So zeigte sich im vergangenen Jahr, dass der dramatische Zinsanstieg und die Inflation der Baupreise, beides eine indirekte Folge des Ukrainekrieges, zu einem Einbruch bei der Bautätigkeit und zu starker Zurückhaltung bei Immobilieninvestitionen führte. Die darauf folgende Marktreaktion war ein Preisverfall bei Bestandsimmobilien. Die Preise für Wohnimmobilien sanken im Herbst 2023 so stark wie nie seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. In den Top-7-Metropolen, also in Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt/Main, Stuttgart und Düsseldorf, sanken die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser um 12,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Für Eigentumswohnungen mussten 9,1 Prozent weniger gezahlt werden. In dünn besiedelten ländlichen Kreisen waren Ein- und Zweifamilienhäuser um 12,4 Prozent günstiger zu haben, Wohnungen 5,6 Prozent.
Auch wenn dadurch der Erwerb und damit auch die Sanierung von Bestandsimmobilien wieder attraktiver geworden ist, ist dieser Trend bei den deutschen Bauunternehmen - im Unterschied zu denen in der Schweiz, die bereits wieder Auftragswachstum verzeichnen - noch nicht angekommen. Im deutschen Wohnungsbau ist das Geschäftsklima von -56,9 auf -59,0 Punkte gefallen, so eine aktuelle ifo-Studie. Das ist ein historischer Tiefststand, der niedrigste jemals gemessene Wert. Zwar klagten im Januar weniger Betriebe über Auftragsmangel, das waren aber immerhin noch 52,5% der Unternehmen. Auch bei den Stornierungen gab es einen leichten Rückgang auf hohem Niveau: 17,4% der Aufträge, nach 22,1% im Vormonat, wurden abgesagt. „Von einer Trendwende im Wohnungsbau kann noch nicht gesprochen werden", sagt daher Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo Umfragen. "Die schwierigen Rahmenbedingungen haben sich kaum geändert.“ Zu diesen Rahmenbedingungen zählen neben den gestiegenen Baupreisen und den relativ hohen Zinsen auch die große Unsicherheit bezüglich der staatlichen Förderprogramme, die häufig den Unterschied machen, ob ein Neubau- oder Sanierungsprojekt realisiert werden kann. Durch die Haushaltskrise des Bundes waren viele Förderprogramme ausgesetzt worden oder gar auf der Kippe gestanden. Doch nun deutet sich tatsächlich eine Trendwende an, denn die Programme des Bundes kommen wieder in Fahrt.
Förderlandschaft "normalisiert" sich
Dem Eindruck des Stillstands beeilt sich das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) in mehreren Pressemitteilungen entgegenzusteuern. So bekräftigt Bundesbauministerin Klara Geywitz: "Diese Bundesregierung investiert Milliarden in den bezahlbaren und klimafreundlichen Wohnungsbau, in lebenswerte Dörfer, Klein- und Großstädte und unterstützt Kommunen bei der energetischen Modernisierung ihrer Infrastruktur und der Sanierung kommunaler Einrichtungen und Parks. Der Etat des Bundesbauministeriums wächst von 4,6 Mrd. Euro im Jahr 2021 auf 10,4 Mrd. Euro in diesem Jahr an und ist damit einer der zentralen Investitionshaushalte dieser Bundesregierung." Und auch das Öko-Zentrum NRW kommt in einer ersten Analyse zu dem Schluss, dass sich nach Ablauf der rund zweimonatigen Haushaltssperre "der Nebel gelichtet" habe und den Blick freigebe auf eine "weitgehend wiederhergestellte Förderlandschaft": Die Förderprogramme, die überwiegend aus dem Haushalt des Wirtschaftsministeriums finanziert werden, liefen nach der Zwangspause weiter. "Die energetische Sanierung des Gebäudebestands und der Austausch fossiler Energieträger bleiben hohe politische Ziele und werden weiterhin in erheblichem Umfang und mit hohen Fördersätzen subventioniert." Bei der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) werden zwar die geplanten Ausweitungen zur Stärkung der Baukonjunktur wieder zurückgenommen und die vorgesehenen Mittel um zwei Milliarden Euro gekürzt, es bleiben aber immerhin 16,7 Milliarden für 2024 im Topf. Auch die serielle Sanierung erfährt "nur geringfügige Streichungen" und wird sowohl über die BEG als auch über das Energiesprong-Projekt der dena weiterhin angeschoben. Die Nationale Klimaschutzinitiative und die Unterstützung für Sanierungsberatungen laufen ebenfalls "ungebremst" weiter: "Seit Monatsmitte können für die Energieberatung für Wohn- und Nichtwohngebäude (EBW bzw. EBN) wieder Anträge gestellt werden. Das bedeutet, dass auch die Unterstützung von individuellen Sanierungsfahrplänen (iSFP) wieder möglich ist, über die sich in der BEG höhere Zuschüsse für Einzelmaßnahmen erreichen lassen. Auch bei der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) ist das Antragsportal wieder offen", zieht das Öko-Zentrum NRW ein halbwegs zufriedenes Fazit. Mit dem Restart des Haushalts des BMWSB am 20. Februar können nun auch die überwiegend dort angesiedelten Förderprogramme des Wohnungsbaus wieder abgerufen werden.
Die wichtigsten Förderungen des BMWSB auf einen Blick:
Bis 2027 fließen insgesamt rd. 45 Mrd. Euro des Bundes und der Länder in den sozialen Wohnungsbau. Das Programm "Junges Wohnen" für Studierende und Auszubildende wird mit 500 Mio. Euro jährlich fest etabliert. Das Programm "Klimafreundlicher Neubau" (KFN) wird fortgesetzt, dafür wurden 2023 etwa 2 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Bei KFN wird der Endkundenzinssatz für Wohngebäude mit Start 20.02. bei 2,1% liegen und damit deutlich unter den aktuell marktüblichen Zinsen für Baufinanzierungen. Eine größere Unterstützung gibt es für Gebäude, die zusätzlich das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG) erreichen. Darüber hinaus erhalten Kommunen und Landkreise Investitionszuschüsse, z.B. für den Bau von Wohnungen, Kindertagesstätten oder Schulen. Das Programm zur "Wohneigentumsförderung (WEF)" wird in 2024 mit 350 Mio. Euro fortgeführt. Die Einkommensgrenze für Familien wurde auf 90.000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen erhöht und ab März werden die zinsverbilligten Kredite auch für eine Laufzeit von 20 Jahren verfügbar sein. Das Programm für "genossenschaftliches Wohnen" wird nach 6 Mio. Euro im Jahr 2022 und 9 Mio. Euro 2023 in diesem Jahr mit 15 Mio. Euro fortgesetzt. Zum Start liegt der Zinssatz bei 2 - 2,5 %, je nach Laufzeit. Es können Kredite bis zu 100.000 Euro aufgenommen werden. Der Tilgungszuschuss liegt bei 7,5 %. Die Mittel für das Programm „Altersgerechter Umbau“ wurden 2024 auf 150 Mio. Euro erhöht. Einzelne Maßnahmen werden mit bis zu 2.500 Euro bezuschusst. Wer sein Haus zum Standard „Altersgerechtes Haus“ umbaut, bekommt bis zu 6.250 Euro erstattet.
Mit dem neuen Haushalt gibt es zudem drei neue Programme:
- Jung kauft Alt: Mit diesem Programm werden Familien mit minderjährigen Kindern beim Wohneigentumserwerb im Bestand durch Zinsverbilligung gefördert. Neben der energetischen Sanierung soll damit zugleich Leerstand entgegengewirkt werden. Dafür sind 350 Mio. Euro in 2024 vorgesehen. Start: Sommer 2024.
- Gewerbe zu Wohnen: Auch leerstehendes Gewerbe oder Bürogebäude soll mit einem Zinsverbilligungsprogramm i.H.v. 120 Mio. Euro in 2024 für Erwerb, Umbau und Sanierung zu Wohnraum gemacht werden. Start: Herbst 2024.
- Klimafreundlicher Neubau im Niedrigpreissegment: Ein weiteres neues Programm soll als 3. Säule neben dem sozialen Wohnungsbau und der Neubauförderung das BMWSB-Fördersetting ergänzen. Da das Programm kurzfristig wirken soll, ist es zeitlich auf 2024 und 2025 befristet. In 2024 sieht der Haushalt eine Milliarde Euro vor. Das BMWSB erarbeitet derzeit die Eckpunkte. Start: in 2024.
Förderung von Kommunen und Innovation
Die "Städtebauförderung" wird mit 790 Mio. Euro auf hohem Niveau fortgesetzt. Die Städtebauförderung ergänzt den Wohnungsbau, indem soziale Infrastrukturen, Kitas, Schulen, Sportstätten, Stadtteilzentren als Anlaufstellen im Quartier ausgebaut werden. Aber auch öffentliche Plätze werden lebenswert gestaltet. Seit dem 1. Januar 2024 ist das Gesetz zur "kommunalen Wärmeplanung" in Kraft. Die Länder bekommen 500 Mio. Euro als Unterstützung für die Kommunen bei der Erstellung von Wärmeplänen, die Summe wird über eine Anpassung im Finanzausgleichgesetz (Umsatzsteuer) ausgereicht. Zusammen mit der Förderung von Wärmenetzen (Zuständigkeit BMWK, 1 Mrd. Euro) gibt der Bund somit 1,5 Mrd. Euro für die Modernisierung der Wärmeinfrastruktur aus. Für die Programme "Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur (SJK)" und "Urbane Räume" (beide KTF) ist die Finanzierung aller bereits durch den Haushaltsausschuss beschlossenen Projekte gesichert. Neben den Förderungen wird die Bauwirtschaft dabei unterstützt, innovativer und nachhaltiger zu werden. Dafür soll ein Modellprogramm für die „Baustelle der Zukunft“ (Modellvorhaben für Innovation im Gebäudebereich - 50,6 Mio. Euro Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen (VE)) sowie ein neues Bundesforschungszentrum für klimaneutrales, ressourceneffizientes Bauen (LAB - Lausitz Art of Building - 68,6 Mio. Euro Ausgaben und VE) sorgen.
Keine Entspannung am Wohnungsmarkt
Kurzfristig ist allerdings keine Entspannung am Wohnungsmarkt zu erwarten. Nach aktuellen Prognosen der Forschergruppe Euroconstruct, der das ifo Institut angehört, wird in Europa die Zahl der Wohnungsfertigstellungen bis 2026 nur noch bei gut 1,5 Mio. Einheiten liegen. Das ist ein Minus von 13% gegenüber 2023. Für Deutschland wird ein Rückgang von 35% erwartet, der zweithöchste nach Schweden mit 47% und vor Frankreich mit 22%.