„Was ist ein ökologischer Baustoff?“
Auf einem digitalen Fachgespräch der Deutschen Umwelthilfe (DUH) diskutierten fast 200 Teilnehmer, wie mit pragmatischen Maßnahmen der Einsatz von ökologischen Baustoffen vorangebracht werden kann.
Schon in der Einladung hatte die DUH das Ziel vorgegeben: "Für die Förderung eines ressourcenschonenden, klimazielkonformen und kreislaufgerechten Bau- und Gebäudebestands braucht es ökologische Baustoffe. Hierbei sind vergleichbare Umweltinformationen, eindeutig definierte ökologische Mindestanforderungen, anwendungsorientierte Bewertungssysteme bzw. Siegel sowie verbindliche Rahmenbedingungen besonders wichtig und schaffen eine Vergleichbarkeit zwischen den Baustoffen. Mithilfe definierter Grenzwerte für Klima- und Ressourcenschutz für Bauwerke bzw. Gebäude kann so technologieoffen die stets ökologischste Variante gewählt werden."
Wie Planerinnen und Planer ökologische Baustoffe und Bauteile erkennen können und wo staatliche Förderung solcher Produkte ansetzen könnte, diskutierten auf der DBU-geförderten Veranstaltung am 22.03.2023 Vertreter*innen aus Politik, Wissenschaft, Industrie und Zivilgesellschaft. Als Fazit wurde festgehalten, dass es in Politik und Gesellschaft gelingen müsse, verbindliche und umfängliche Umweltinformationen über Bauprodukte bereitzustellen, produkt- und anwendungsspezifische ökologische Mindestanforderungen zu definieren sowie ökologische Grenzwerte auf Bauwerksebene festzulegen. Ergänzend müssten die Rahmenbedingungen für den Einsatz von ökologischen Baustoffen vereinfacht werden, etwa durch die Anpassung technischer Normen sowie gezielte Fördermaßnahmen für vielversprechende Baustoffe durch Bund und Länder.
Impulsreferate
Im ersten Vortrag erläuterte Prof. Roswag-Klinge, Gründer des Natural Building Lab und geschäftsführender Direktor des Instituts für Architektur an der TU Berlin, die Notwendigkeit der ökologischen Auswahl von Bauprodukten. Nachwachsende Rohstoffe müssten in Zukunft effizienter für Baustoffe eingesetzt und das Bauen im Bestand müsse gefördert werden, um die Umweltauswirkungen des Bauens in Zukunft zu minimieren. Claus Asam, Referent des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), gab anschließend einen Überblick über die bereits bestehenden öffentlichen Instrumente, wie etwa das Online-Ökobilanzierungstool (eLCA) von Gebäuden, die Produktdatenbank ÖKOBAU.DAT und das Ausschreibungstool WECOBIS. Dabei wies er auch auf die Einschränkungen sowie eine korrekte Nutzung der Instrumente hin. So sollten etwa Environmental Product Declarations (EPD) von zwei unterschiedlichen Baustoffen nicht unbedacht miteinander verglichen werden. Elise Pischetsrieder von weberbrunner architekten wies in ihrem Vortrag auf die gesamtökologische Betrachtung von Baustoffen unter der Berücksichtigung von Klimaschutz, Ressourcenschutz, Bauökologie und grauer Energie hin. Als Architektin veranschaulichte sie eindrücklich, wie bereits heute eine Baustoffauswahl aus Umweltsicht aussehen kann. Sie zeigte den Umwelteinfluss einzelner Baustoffe in vergleichbaren Konstruktionen am Beispiel verschiedener Wandaufbauten.
Der stellvertretende Leiter Kreislaufwirtschaft der DUH, Philipp Sommer, forderte verbindliche Umweltinformationspflichten über Bauprodukte, produkt- und anwendungsspezifische Mindestanforderungen an Bauprodukte sowie ökologische Grenzwerte (etwa bezüglich CO2 und Ressourcenverbrauch) für Bauwerke. Diese Maßnahmen müssten in der EU-Gesetzgebung (u.a. Bauproduktenverordnung, Ökodesign-Verordnung und EU-Gebäuderichtlinie) sowie national (u.a. in der nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie, über das „Qualitätssiegel Nachhaltige Gebäude“ (QNG)) und der öffentlichen Beschaffung für Bund und Länder festgelegt werden. Denn durch verbindliche Mindestanforderungen an Bauprodukte, wie beispielsweise den Einsatz erneuerbarer Energien oder durch einen Mindestanteil von Post-Consumer-Recyclingmaterialien, werden Bauprodukte umweltfreundlicher gestaltet und kurbeln damit die Kreislaufwirtschaft und Dekarbonisierung des Bau- und Gebäudebereichs an.
Diskussion
In der anschließenden Podiumsdiskussion betonten Dr. Rolf Buschmann (natureplus e.V.) und Dr. Anna Braune (DGNB e.V.) die hohe Relevanz umfassender Informationen über die Umweltwirkungen von Baustoffen. Dies sei die Grundlage, um einen Baustoff ganzheitlich ökologisch bewerten zu können. Hierbei könnten die EPDs als Instrument herangezogen werden, vorausgesetzt, die Datenbasis wäre vereinheitlicht, jedoch sei es zusätzlich nötig, die EPDs um Gesundheits-Informationen und weitere Indikatoren besonders für den Ressourcenschutz zu erweitern. Beide waren sich einig, dass eine Bewertung auf Baustoffebene sowie nachgelagert auf Gebäude- bzw. Konstruktionsebene möglich und notwendig ist. Dafür gebe es bereits gute Bewertungsinstrumente, wie seriöse Typ-I-Labels (etwa Blauer Engel, natureplus) und Gebäude-Zertifizierungen (wie etwa DGNB).
Tim Oliver-Müller vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. wies als Stimme der Wirtschaft auf die unzureichenden politischen Rahmenbedingungen und Regelwerke wie das Kreislaufwirtschaftsgesetz und weitere Abfallrecht hin, die u.a. den Einsatz von Recyclingbaustoffen in der breiten Anwendung behindern. Prof. Eike Roswag-Klinge hob in der Diskussion besonders die vorhandenen Potenziale im Gipsrecycling und die Substitution von mineralischen Baustoffen durch Lehm hervor. Es sei wichtig, den Einsatz von alternativen Baustoffen wie Lehm voranzutreiben, um die Umweltziele überhaupt zu erreichen. Ergänzend zu seinem Vortrag stellte Claus Asam die Entwicklung eines Rohstoffindikators in Aussicht, der zukünftig den Rohstoffaufwand in der Ökobilanz berücksichtigen soll.
Abschließend thematisierte Viktor Miruchna aufgrund der dramatischen Situation im Bau- und Gebäudebereich notwendige politische Maßnahmen zur Erreichung der gesetzten Umweltziele. In der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie sollten verbindliche Reduktionsziele zur Vermeidung von Primärressourcen festgelegt werden. Zudem müsse in der EU-Bauproduktenverordnung als rechtliche Grundlage für ökologische Baustoffe, verbindliche und umfängliche Umweltinformationen, Mindestanforderungen an Bauprodukte (u.a. Rezyklateinsatz, maximaler CO2-Fußabdruck) festgelegt und durch ein unabhängiges, wissenschaftliches Expertengremium Baustoffe in Umweltverträglichkeitsklassen eingestuft werden. Viktor Miruchna forderte zudem die Einführung von ökologischen Grenzwerten und Absenkpfaden auf Gebäudeebene, etwa über das Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) oder mithilfe des Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude (QNG). Dabei verwies er auf das Positivbeispiel Dänemark, wo nicht nur für alle Neubauten eine Ökobilanz verpflichtend ist, sondern zusätzlich für Gebäude ab 1.000 m² ein verbindlicher CO2-Grenzwert gilt, der jährlich gesenkt wird.